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Sonette an eine Roverettanerin (73)
#1
Sonette an eine Roverettanerin
(ein Großteil der Sonette wurde ähnlich in den Sonetten aus Wälsch-Tirol veröffentlicht)


I.

Hast du gehört vom Kampfe der Gedanken?
Sahst du sie gegenüber ihre Heere,
Die Geisterschiffe auf dem weiten Meere,
Die einen siegen und die andern wanken?

Ich war dabei; es galt des Tages Ehre.
Sie nahten uns auf schwarzbemalten Planken,
Undunsre stolzen Fahnen, Mädchen sanken, sanken ...
O, daß auch ich damit gesunken wäre.

Ein Flüchtling auf der eignen Muttererde,
Mein Lied vervehmt, mein Saitenspiel zersprungen,
Sang ich allein verstimmte Nachtkonzerte.

Die Schläfer stört's; damit es stille werde,
Hast du des Hasses Lied mir abgerungen;
War's deine Wahl? Warst du dazu gedungen?


II.


Rühr' sie nicht an, die schmachbedeckte Leier,
Stets ist des Liedes Dämon auf der Lauer;
Dein Aug' ist ein gefangner Stern im Bauer
Von Perlmutter, und kenn' sein Feuer.

Bei mir daheim sind solche Augen teuer;
Du glaubst es nicht? Dort trägt der Frühling Trauer,
Der freie Berg ist eine Kerkermauer,
Und Liebe nimmt den Bußsack und den Schleier.

Laß mir das Lied, ich will das wilde zähmen,
Der Honigsammlerin den Stachel nehmen,
Des größten Opfers ist die Liebe würdig.

Laß mir das Lied! Sonst kann ich nicht mehr beten,
Kann nicht mehr stolz dir vor das Auge treten,
Als wär' ich König und dir ebenbürtig.


III.

Ich liebe dich, du kannst die Stunden fragen,
Die langsam bohrend in des Herzens Gruben
Dein strahlend Bild ans Licht des Tages huben.
Ich liebe dich ... und kann dir doch entsagen.

Ich sah die Freiheit in der Truhe schlagen,
Die Männer sah ich, die das Grab ihr gruben.
Ich habe keinen Haß mehr für den Buben,
Des Hände schmeichelnd in den deinen lagen.

In Königsgräber legt man Edelsteine,
Mein Bestes legt' ich in die Grabesstätte,
Die Liebe - dich - die schöne Gegenwart.

Der Auferstandne bat, daß niemand weine
Auf seinem Grab! Einst reißt der Freiheit Kette,
Dann nimmst du teil an ihrer Himmelfahrt.


IV.


Wie Dichter lieben, lieb' ich dich im Geiste,
Mich kann dein Käufer nicht vom Kaufe trennen.
Die Thäler leuchten, und die Lippen brennen,
Jung, schön und reich, wer bietet drum das meiste?

Dein Aug' ist eine Ware; Gott, sie nennen
Und wägen dich nach ihrem Krämerleiste;
Wo die Natur die Berge nicht beeiste,
Hat sie aus Frost die Herzen panzern können.

Kommt einst dein Bräutigam und zählt die Säcke,
und inventiert die Reize, so verstecke
Nur eins, und gieb's ihm nicht; ich mein' die Zähre.

Sie trägt nicht Zins, nützt ihm zu keinem Zwecke.
Welch' Wert - seufzt er - in diesem Solitäre,
Wenn, hol's der Teufel, es nicht Wasser wäre.


V.

Einst werd' ich in dein Zimmer treten müssen,
um dir ein kaltes Lebewohl zu sagen;
Wann reisen Sie? wirst du mich höflich fragen;
Und bitten, deine Freundinnen zu grüßen.

Und hat die halbe Stunde ausgeschlagen,
Dann darf ich gehn, nach den Erfordernissen
Der Lebensart die Hand der Mutter küssen
Und still mein tiefes Leid von hinnen tragen.

Geliebte, nein, so reiß' ich mich nicht los;
Wenn ich im Sterben liege, hätt' ich gerne
Die Sonn' im Aug' und Rosen auf dem Schoß.

Geh' ich von dir, sei's unterm Himmel, groß
Und frei und leuchtend, wo die Doppelsterne
Sich nah' wie wir sind und wie wir so ferne.


VI.

Ein gelber Hut, geziert mit gelben Bändern,
Ein gelber Shawl, nicht sanftgelb wie die Garben,
Recht pomeranzenbraun, das sind die Farben
Der Eifersucht, mein Kind, in allen Ländern.

Du trau'rst? Rast unter deinen Liebespfändern
Der gelbe Tod? Wie viel Idole starben?
Dem Himmel Dank, daß schnell die Wunden narben,
Wo Leidenschaften wie die Winde ändern.

Doch dau'rst du mich. Gält's nur der Täuschung Zähre,
Verachtung trocknet sie; doch Frauenehre
Ist hierzuland der Männer Zeitvertreib.

Es sind vier Dinge hier, bedauernswerte,
Wie nirgends auf der weiten schönen Erde:
Das Pferd, der Pfaff, der Vogel und das Weib.


VII.

Nicht flüsterndes Gespräch, kein Händedrücken,
Auch keine Küsse und dergleichen Sachen
Giebt's zwischen uns, die ganze Liebe machen
Die Augen aus, glaubt es von freien Stücken.

Ich lache, weine, singe mit den Blicken;
Das ist die erste all' der vielen Sprachen,
Die Engel wachten auf, die Sonnen brachen
Ins All und blieben lautlos vor Entzücken.

"Im Anfang war das Wort." Nein, ich bekriege
Den Satz, im Anfang war das Licht, sofort
Das Aug', des Lichtes Spiegel, dann das Wort.

Das riß die junge Menschheit aus der Wiege,
Gab ihr den Haß, die Heuchelei, die Lüge,
Die erste Sünde und den ersten Mord.


VIII.


Wenn ich allein im Zimmer bin, die Winde,
Die Nebel reiten und die Straßen kehren,
Dann kann ich dich am leichtesten entbehren,
Weil ich viel lustige Gesellen finde,

Spielzeug, womit die Amme Zeit dem Kinde
Den Tag vertrieb; vor allen sind in Ehren
Ein muttergottesbild, drei Vogelbeeren
Und welke Blätter von der Schwazer Linde.

Doch wenn die nassen Bäume wieder schimmern
Und weit und breit die Gräserspitzen flammen,
Pack eilig ich den Kindertand zusammen.

Baumeister Traum beginnt schon keck zu zimmern
Im alten Schutt - - denn Heut und Morgen stammen
Doch immer nur aus des Vergangnen Trümmern.


IX.

Vom Iselberge, wo der Freien Scharen
So viele schlafen unterm Blumenbette,
Sah ich oft sehnend nach der Felsenkette
Des grünen Wippthals in den Kinderjahren.

Der dunkle Wald, die hellgeschliffne Glätte
Der Fernerspiegel, glaubte ich, bewahren
Ein liebliches Geheimnis; ach, ich hätte,
Was drüben liegen mag, so gern erfahren.

Ich kam hinüber! In den Jasminlauben
Italiens zum schwarzen Blut der Trauben
Aß ich das süße Rosenfleisch der Feigen,

Und bracht damit mein Sehnen nicht zum Schweigen
Und nicht zur Ruhe meinen Kinderglauben -
Bis ich dich sah, so lange schon mein eigen.


X.

Sei noch so welsch in Sprache und Gebärde,
Du kannst das deutsche Blut doch nicht verhehlen,
Du hast Thusneldens Augen; woher stehlen
Die Veilchen dort die teure Muttererde?

Schon wollten mich Gewissensbisse quälen,
Daß ich den Föhren und dem Alpenherde,
Den Dolomitenfelsen untreu werde,
Um mich bei welschen Rosen zu empfehlen.

Wohl mir! Mit jenem weiß- und grünen Bande,
Das unsre Fahnen ziert, bin ich imstande,
Dir, Landskind, Leib und Seele zu umspannen.

Treu kam ich her und gehe treu von dannen,
Die erste nicht von den Tiroler Tannen,
Die nie geträumt vom Baum im Morgenlande.


XI.

Dem Vogel weh, der hier vom Morgenlichte
Sich locken läßt, ein Frühgebet zu pfeifen;
Es ist sein Schwanenlied; die Beeren reifen
Für ihn nicht mehr, wohin er sich auch flüchte.

Denn kaum, daß wird verraten die Geschichte,
Zieht alles, was da laufen kann, mit Schleifen
und Flinten aus, den Troubadour zu greifen
Als Bratenstück zum Nationalgerichte.

Du scheinest auch, ich hab' es selbst erfahren,
Den Vogelsang vor jedem andern Dinge
Als junge Patriotin treu zu wahren.

Ich kam daher - im Fasching war's - und singe
Schuldlos mein Lied - da lieg' ich in der Schlinge,
Sie war gedreht von deinen seidnen Haaren.


XII.

Die Blätter wanken zitternd an den Zweigen,
Der Winter mahnt: Die Zeit ist umgegangen.
Ihr dürft nicht länger mehr da droben bangen:
Herab! Der Sturm bläst auf zum letzten Reigen.

Ihr zagt? Ist's denn so schwer, herabzusteigen?
Wo sind die Blüten, wo die Pfirsichwangen,
Die, Liebeslieder singend, ihr umfangen?
Die Hochzeit ist vorbei, nun gehn die Zeugen.

Macht euch nur schlafen! Hat der Sonne Licht
Euch doch vergoldet und der Mond, der blasse,
Versilbert euch, geht nur, ihr dau'rt mich nicht.

Doch andrer Blätter giebt's, zu früh vom Hasse
Herabgerissen in den Kot der Gasse,
Eh' noch ein Lichtstrahl durch die Nebel bricht.


XIII.

Du hörst mein Lied mit Zittern vor den Zungen,
Die oft schon giftig deinem Ohre nahten:
"Verblendete! Du hast dein Land verraten
Und einem fremden Liede dich verdungen,

Barbarentönen, wie sie einst geklungen,
Als unsrer Freiheit goldbehelmte Saaten
Die Hufe deutscher Rosse niedertraten
Und unsrer Städte Kronen sind zersprungen."

So geht hinaus nach Frankfurt an den Main,
Verkündet keck den Herrn vom Bundestage,
Daß ihr nicht wollet deutsche Männer sein.

Dabei gewinnen alle ohne Frage:
Das junge Deutscchland stirbt nicht an dem Schlage,
Das deutsche Lied nicht von der Liebe Pein.


XIV.

Die Arme nackt und unter leichten Hüllen,
Der volle Busen hinter goldnem Fächer,
Rings Reiz an Reiz, der Tag ist heiß, und schwächer
Fühlt sich die starke Seele wider Willen.

Komm fort von hier, die heiße Glut zu stillen,
Ich weiß ein Dutzend braune Hirtendächer,
Wo Alpenrosen die kristallnen Becher,
Rot wie dein Mund, uns mit Sorbetten füllen.

Ein greises Gletscherhaupt begrüßt uns heiter,
Doch streng und keusch – von unsichtbarer Leiter
Springt dort ein Bach, ein Schwätzer ist’s, zu Tal.

Der Wind der Höhe, der Lawinenreiter,
Sucht deiner Schultern Schnee; da nimm den Schal –
Mein Blut ist abgekühlt, wir gehen weiter.


XV.

Neugierig läuft das Volk mit Eilesschritten
Zur fremden Predigt; unsre Priester taugen
Nichts mehr; der Reiz ultramontaner Laugen
Ist die geheime Kunst der Jesuiten.

Ein armes Pferd steht vor der Kirch' inmitten
Der frommen Büßer, scharfe Bremsen saugen
An seinen offnen Wunden; in den Augen
Die stumme Schrift, wie viel es schon gelitten.

Zur Erde tief senkt es das Haupt, das kranke,
Es betet wohl; sein Dränger treibt es fort,
Den Peitschenstock ihm stoßend in die Flanke.

Das ist der Gottesdienst in diesem Ort,
Im Tempel drinnen sein entstelltes Wort
Und draußen sein geschundener Gedanke.


XVI.

Die Kirch' ist voll von schönen Büßerinnen,
Die schwarzen Schleier vor den heißen Blicken,
Um nicht die Väter Jesu zu berücken,
Wenn von geheimen Sünden sie beginnen.

Ich mustere die buntbeshawlten Rücken,
Die Damenhüte all ... du bist nicht drinnen!
Willst du den röm'schen Himmel nicht gewinnen,
Du freies Mädchen, mutig zum Entzücken?

Sieh dich nur um, wie sie vorüberschleichen,
Die Neubekehrten; die Gedankenschraube
Drückt auf die Stirn ein unverwüstlich Zeichen.

Nur du bist rein! Nicht unterm Maulbeerlaube
Wächst und gedeiht dein freier schöner Glaube,
Er war dein Taufgeschenk von deutschen Eichen.


XVII.

Ein Volk von Kommunisten sind die Reben
Italiens; bei uns hübsch an der Stange,
Weiß keine von dem socialen Hange,
Der ganzen Welt die Bruderhand zu geben.

Der jüngste Weinstock schließt und ziert als Spange
Den Arm des Seidenbaums, und reift daneben
die Feige, springt er hin, setzt über Gräben,
neckt Rosen, kurz er weiß von keinem Zwange.

Der Mauern spottet er, ein Turnermeister
Im Klettern; deine Fensterjalousieen
Sind hoch, doch kann r hin; durchs Wagstück dreister,

Hüpft - schützen dich nicht alle keuschen Geister -
Er in dein Bett, denn deine Glieder blühen,
Und Blüten ist er nicht gewohnt zu fliehen.


XVIII.

Recht philomenenhaft trugst du ums Haupt
Den Kranz von offnen Rosen weiß und rot,
Solch' heil'ger Kopfschmuck, scheint mir, ist zur Not
Den bleichen Bräuten Gottes nur erlaubt.

Mich schauderte, als ich die Hand dir bot
Zum Tanz - ich wäre krank, hast du geglaubt -
Mir war, als hätt' ich Kirchengut geraubt
Und hätt' geplündert den geschmückten Tod.

Die gleichen Rosen ohne grünes Blatt
Trug meine Schwester, liegend am Altar,
Mit neunzehn Lenzen schon des Lebens satt.

Dann warf aufs Opfer sich der Nonnen Schar,
Und auf die Erde flogen Kranz und Haar,
Daß mir, dem Mann, das Herz gezittert hat.


XIX.


Wer malt dein süßes Lächeln? Leichter wäre
Der Sonnenstrahl zu malen, wenn die Schatten
Er jagt im Wald und auf den Blumenmatten
Und steckt die goldnen Nadeln in die Ähre.

Du hast den Mai mir zugedacht; ich kehre
Die alten Blätter fort nun, und den Spaten
Ergreif' ich wieder und die Gartenschere,
Die unberührt so lang gelegen hatten;

Indes verzagt die andern immer schreien:
Die rechten Lieder können nicht gedeihen,
Weil dunkle Nebel auf dem Lande liegen.

Aus deinem Aug' ist Licht genug zu kriegen,
Und wächst der Baum der Freiheit nicht im Freien,
Muß er in einen Blumentopf sich schmiegen.


XX.

Was doch ein Jesuit kann alles wissen!
Er predigte: Der Mensch kann nichts vollbringen;
Wenn ich und du auf diesen Rasen springen,
So hat es Gott gethan mit unsern Füßen.

Und wenn wir etwas thun von bösen Dingen,
Zum Beispiel stehlen, raufen oder küssen -
Was wir uns aber niemals unterfingen -
Hat Gott im Himmel mit uns stehlen müssen.

Daraus ergab sich nun der Sünden Schwere,
Weil Gott, der Reinste, Lob der Engelzungen,
Vom Sünder wird zum Sündigen gezwungen.

Der Jesuit bringt dich zu großer Ehre,
Nicht ich, nach dieser orthodoxen Lehre:
Gott selbst hat die Sonette dir gesungen.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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Sonette an eine Roverettanerin (73) - von ZaunköniG - 14.06.2023, 16:07

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