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Charles Baudelaire: A une passante
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27.11.2007, 23:53
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 25.08.2012, 07:16 von ZaunköniG.)
A une passante
La rue assourdissante autour de moi hurlait.
Longue, mince, en grand deuil, douleur majestueuse,
Une femme passa, d'une main fastueuse
Soulevant, balançant le feston et l'ourlet ;
Agile et noble, avec sa jambe de statue.
Moi, je buvais, crispé comme un extravagant,
Dans son oeil, ciel livide où germe l'ouragan,
La douceur qui fascine et le plaisir qui tue.
Un éclair... puis la nuit ! - Fugitive beauté
Dont le regard m'a fait soudainement renaître,
Ne te verrai-je plus que dans l'éternité ?
Ailleurs, bien loin d'ici ! trop tard ! jamais peut-être !
Car j'ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais,
Ô toi que j'eusse aimée, ô toi qui le savais !
Vorüber
Ein Lärm war um mich, der sich durch die Straße schob,
als eine Hochgewachsene an mir vorüberschritt,
die, Haltung wahrend, tief an einer Trauer litt
und mit der Hand den rauschend vollen Rocksaum hob.
Wie eine Statue hat sie Bein vor Bein gesetzt;
Ich aber mußte wild verzückt aus ihren Augen
die Sonne eines schwerverhangnen Himmels saugen:
die Süße, die verlockt; die Lust die mich zersetzt.
Ein Blitz, - dann ging die Schönheit in das Dunkel hin,
aus deren Blick ich grade neu geboren bin.
Soll ich dich in der Ewigkeit erst wiedersehen?
Im Irgendwo? Im Irgendwann? Vielleicht auch nie?
Wir wissen voneinander nicht, wohin wir gehen;
Du, die ich lieben könnte, ja - du wußtest wie!
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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Hallo Zaunkönig,
ist dir bekannt, dass dieses Sonett bereits vielfach übersetzt worden ist? Z. B. von Stefan George, Walter Benjamin, Wilhelm Hausenstein und Carlo Schmid sowie in "Prosa" von Friedhelm Kemp. Alle diese Versionen sind nachzulesen in "Weltliteratur in deutscher Übersetzung" von Jürgen von Stackelberg, Wilhelm Fink Verlag München, 1978.
Kennst du das?
Du befindest dich mit deiner Übertragung also in bester Gesellschaft - und kannst auch durchaus gut mithalten. Inhaltlich fällt mir lediglich in Zeile 7 und 8 auf, dass es die "Süße" ist, die das Lyrich aus den Augen der Dame trinkt, nicht die Wetter des Himmels. Allerdings hat der Kritiker/Autor des obigen Buches an allen Versionen ziemlich viel auszusetzen und da käme die deine sicher auch nicht ungeschoren davon. Aber man kann es mit der Kritik ja bekanntlich übertreiben und dass er es besser kann, sagt er nicht.
Gruss
Silja
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Hallo Silja,
Dieses Buch kenne ich nicht, habe aber diverse Übertragungen der Blumen des Bösen im Bestand. Da es allessamt gereimte Fassungen sind habe ich mal nicht nachgeschaut, sie hätten mich sicherlich zu sehr beeinflußt. Wie ist denn Kemp abgeschnitten? Eigentlich gilt er als sehr inhaltstreu.
Die Zeilen 7 / 8 werde ich mir nochmal näher anschauen, kann aber noch etwas dauern.
LG ZaunköniG
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17.09.2008, 13:04
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.05.2010, 19:06 von ZaunköniG.)
Hallo Silja,
nun hat es doch unerwartet lange gedauert. Irgendwie bin ich ganz über den Text hinweggekommen. Wie ich es verstanden habe, vergleicht Baudelaire hier ihren Blick mit dem schwerverhangenen Himmel. Vielleicht sollte ich die Wetter durch Sonne ersetzen um stimmungsmäßig näher an ein Sommergewitter heranzukommen. Sonst ist wohl auch nicht verständlich woher er die Süße nimmt.
Zum Vergleich die Stelle mal von zwei anderen Übersetzern:
Zitat:Carl Fischer:
Ich aber trank gebannt und gleichsam wie im Wahn
Aus ihren Augen, wie im Himmel ein Orkan,
Die Süße die entzückt, die Lust die Tod bereitet.
Zitat:Wilhelm Niemeyer:
Ihr Blick der Glutglanz eines Tags im Sommer,
Der schon gewittertrunken vorverkündet
Den Feuerrauch der Nacht als lohen Kommer,
Der ihm der Blitze Flammenfest entzündet!
LG ZaunköniG
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Charles Baudelaire: DIE PASSANTIN
Getümmel auf dem Platz, dass mir die Ohren beben.
Da schreitet eine Frau in Trauer, ernst und groß
und königlich vorbei, leicht und erhaben heben
die Hände ihren Rock am Saum hoch, schwerelos.
Es blitzt ihr Marmorbein nur einen Augenblick:
Ich aber, starr vor Schreck, bin durstig auf ihr Schauen,
so weich dass ich versink, so tief dass ich erstick;
tödliche, süße Lust gewittert aus dem Blauen.
Ein Blitz ... dann ist es Nacht! Die Schönheit war verloren,
in einem, kleinen Nu hat sie mich neu geboren:
Kann es denn sein, dass Du nun ewig fehlen musst?
Schnell weiter! Weg! Vorbei! Zu spät! Vielleicht nie wieder!
Wer weiß, wohin Du bist, ich sänk so willig nieder,
oh, Dir, die mich verstünde, Deinem Reiz bewusst!
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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Hallo Peter,
eine sehr schöne und bei den etlichen Übertragungen, die man schon kennt, doch noch sehr eigenständige Übersetzung.
Das Marmorbein gefällt mir besonders gut, - man muß doch nicht immer am Wortlaut kleben.
In der Schlußzeile denke ich aber, daß du den Inhalt nicht treu genug wiedergegeben hast.
Hat sie sein Gefühl wirklich erwiedert?
LG ZaunköniG
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"oh, Dir, die mich verstand, mich liebte unbewusst!"
… war nicht korrekt, da hast Du recht. Ich habe das herausgenommen.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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10.02.2011, 11:03
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28.04.2011, 18:35 von ZaunköniG.)
Vörbi
Dor weern Rementer up de Straat as wi en Doom
janz rank un slank en mi kommod voröwer schriet.
So risch un praud un di an gröten Kummer lied
und midde Hänne hebt se up hör Kledersoom.
Kiek, as an Statue sett se vörnand Been un Been,
ik aver, as benüsselt, mott vun derer Oogen
des Lucht de Sünn uit griesutropen Hevens sugen:
de Sööt, de tarrt, den Lussen wollen mi däälschneern.
En Blix - al geit di Scheune in det Düstern hen
von deren flusig Blick ik grad nieboren bün.
Schall ik di erst ins Güntsriet nochmaal wedder soen?
Ins Jichtenswo, ins Jichtenswann? vieliecht og noit?
we kennt eenanger neet, sann vör us frömde Luid.
Och Du, Di hev i leef han künt. Du wusstest woan.
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Topp, und doch dem Original so nah! Respekt.
.
"Lorsque nous serons mort, on parlera de vie" (Jules Supervielle)
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12.02.2011, 16:38
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 31.12.2017, 13:12 von ZaunköniG.)
Danke,
Grundlage war natürlich meine hochdeutsche Fassung, für die Übertragung ins Niederdeutsche musste ich nochmal vieles Nachschlagen (Auch als Norddeutscher bin ich kein Nativ Speaker), aber es passte doch schnell alles zusammen.
LG ZaunköniG
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An eine , die vorüberging
Der Straßenlärm betäubend zu mir drang ,
In großer Trauer , schlank , von Schmerz gestrafft ,
Schritt eine Frau vorbei , die mit der Hand gerafft
Den Saum des Kleides hob , der glockig schwang ;
Anmutig , wie gemeißelt war das Bein.
Und ich , erstarrt , wie außer mich gebracht ,
Vom Himmel ihrer Augen , wo ein Sturm erwacht ,
Sog Süße , die betört und Lust , die tötet , ein.
Ein Blitz ... dann Nacht! - Du Schöne , mir verloren ,
Durch deren Blick ich jählings neu geboren ,
Werd in der Ewigkeit ich dich erst wiedersehn ?
Woanders , weit von hier ! zu spät! solls nie geschehn ?
Dein Ziel ist mir und dir das meine unbekannt ,
Dich hätte ich geliebt , und du hast es geahnt !
(Übersetzung von Monika Fahrenbach - Wachendorff)
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Hallo Rainer,
Das ist ein schönes Stück, das Monika Fahrenbach-Wachendorff da abgeliefert hat.
Es ist allerdings Usus im Forum, dass man bei Zitaten die Quelle mit angibt, sonst denkt noch jemand, es wäre deine Übersetzung.
Gruß
ZaunköniG
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26.07.2011, 20:46
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 26.07.2011, 21:17 von M. Friedrich.)
Zaunkönig, das ist eine gelungene Übersetzung, ich würde nur im ersten Vers metrisch variieren wollen. Auch der Titel ist nicht gut gewählt; "vorüber" sein kann alles Mögliche, das ist hier sehr schwammig ausgedrückt. Hier würde ich dann doch am Original kleben bleiben und "An eine Vorübergehende" vorschlagen.
Zitat:Ein Lärm war um mich, der sich durch die Straße schob,
"Ein Lärm bedrang mich, der sich durch die Straßen schob". So wäre es metrisch und silbentechnisch besser. In deiner Version holpere ich bei "Lärm war", beides betont, genauso wie "mich, der". Das sind zu viele Hebungsprälle. Man könnte sie natürlich als Kunstgriff interpretieren, um die Bedrängung des LIs zu verdeutlichen, aber dann sähe es im restlichen Sonett genauso aus. Und das tut es ja nicht. Also würde ich dann doch lieber die ausgeglichene Variante nehmen.
Matthias
Das hier ist meine Übersetzung. Ausgenommen von den Kunstwörtern bin ich damit recht zufrieden.
Aber danke an die anderen Übertragungen für die Inspiration, das hat mir sehr weitergeholfen.
An eine Vorübergehende
Der grelle Straßenlärm schloss mich in ein Tönegrab.
An mir ging eine Schlanke, Aufgeschossene entlang,
erhabne Trauernde, die mit dem Glanz der Ringehand
den Rocksaum hob und ihm ein Schimmern gab;
behände, edel, mit dem Bein, das Mamor glich.
Ich trank aus ihrem Aug, verkrampft und sonderbar,
ein bleicher Himmel, welcher einen Sturm gebar,
die Sänfte, die verführt, die Lust, das Todeslicht.
Ein Blitz … dann war es Nacht! - Die Flucht der Schönen,
ihr Blick, der mir das Leben plötzlich wieder reicht,
wirst du mir nur im Ewigen erfüllen, was ich sehne?
Woanders und weit weg! zu spät! und nie vielleicht!
Du weißt nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, wo du bist,
du, die es wusste, ich, der dich vermisst!
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Hallo Matthias,
Rythmisch sehe ich meine erste Zeile nicht problematisch, sehe da auch keine Hebungsprälle. Regional verschiedener Sprachgebrauch?
dennoch gefällt mir "bedrang" besser, weil es den Lärm besser in Szene Setzt als Kontrast zur gravitätischen Schönen, die da vorübergeht. Danke für diesen Vorschlag.
Bei der Überschrift denke ich nicht, dass sie sofort alles verraten muss. Die würde ich gerne so lassen.
mit deiner Übersetzung werde ich mich mal in einer Mussestunde befassen. Im Moment bin ich etwas in Eile.
Keine Sorge, ich werde sie nicht zerreissen
Gruß ZaunköniG
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Nun, was an diesem Abend in meinem Kaffee war, weiß ich nicht mehr, aber ich denke, das metrische Problem war wohl eher auf Persönliches zurückzuführen. Wenn du den Vorschlag jedoch magst, dann ist das gut.
Mit deiner Überschrift bin ich einverstanden, aber man könnte durchaus am Text bleiben (auch wenn ich gestehen muss, dass ich das nicht immer tue).
Auf deinen Kommentar zu meiner Übertragung freue ich mich bereits.
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05.08.2011, 20:21
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.03.2012, 10:50 von ZaunköniG.)
Hallo Matthias,
nun zu Deiner Übertragung.
Dem Wortlaut nach hast du dir manche Freiheit erlaubt, die aber an der Grundaussage nichts wesentliches ändern. das kann man so machen. Zur Form sagst du, dass du die reine Form nichts magst, kritisierst mich aber vor allem metrisch? So ganz kann ich deinen Standort noch nicht bestimmen, da braucht es wohl noch mehr Diskusionen an verschiedenen Texten.
Mit den Kunstworten meinst du vermutlich die Komposita, die ich aber nicht so schlimm finde.
Das Tönegrab wirkt etwas gekünstelt, dazu an so prominenter Stelle... auch ist die Eingangszeile metrisch nicht sauber.
Wenn ich die ersten 3 Zeilen vergleiche lautet das beabsichtigte Schema vermutlich
xXxXxX/XxXxXxX
also ein Siebenheber mit Zäsur nach der dritten Hebung.
In Zeile 1 durch Hebungsprall in 2 und 3 durch Komma.
Nun, Lärm alleine wäre eine Starke Silbe. So zusammengesetzt würde ich Strassenlärm aber daktylisch betonen (Xxx) genau wie Tönegrab, also
xXxXxxXxXxXxx
Was zunächst mal elegisch klingt und damit durchaus passend, aber in den Folgezeilen nicht fortgesetzt wird.
Dass du später zwischen 6- und 7-Hebern wechselst stört nicht weiter, die Zeilen laufen dann größtenteils rund.
Schwierig wird es wieder in Zeile 13: Sie besteht nur aus einsilbigen Worten und kann fast beliebig betont werden.
Du weißt nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, wo du bist,
Du weißt nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, wo du bist,
Du weißt nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, wo du bist,
ect...
Die Ringehand gefällt mir ausgesprochen gut, auch wenn sie wie das resultierende Schimmern wohl nicht im Original stehen. Sie beschreibt die Atmosphäre sehr gut.
In Zeile 5 habe ich mühe mit dem "behände". Etymologisch kommt es von Hand. Und auch wenn es gerne im übertragenen Sinne verwendet wird wirkt es seltsam, wenn man damit ausgerechnet Beine beschreibt.
in Zeile 12 wirkt mir "woanders und weit weg" zu schwach. Was hältst du von
"Zu weit entfernt und viel zu spät."?
In der Schlusszeile wird nicht klar was sie denn wusste. (nämlich geliebt werden zu können) stattdessen wirkt die Zeile als Widerspruch zur Vorigen: Weiß sie nun doch wo du bist?
Deine Übertragung hat zweifellos Potential. Es lohnt sich bestimmt, noch etwas daran zu feilen...
Gruß
ZaunköniG
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Hallo liebe Forumsmitglieder,
die Übersetzungen in diesem Thread haben mich dazu angeregt, es auch mal zu versuchen. Dabei ist Folgendes entstanden:
An eine Passantin
Der Straßenlärm, der um mich heulte, war betäubend fast.
In Schmerz und Trauer majestätisch, schlank und groß,
Ging eine Frau vorbei, das Kleid, das sie umfloß,
Am Saum hochhebend mit der Hand, die prunkte mit der Last;
Voll Anmut, edel, und ihr Bein weiß, wie gemeißelt.
Und ich, ich trank erstarrt, als wäre ich im Wahn,
Aus ihrem Auge – fahler Himmel, trächtig mit Orkan –
Die Süße, die uns bannt; die Lust, die uns zu Tode geißelt.
Ein Blitz... dann Nacht! Jäh wurde ich erneut geboren
Bei Deinem Anblick, Schönheit, die vorbeiging und entfloh,
Und hab Dich nun bis in die Ewigkeit verloren?
Zu spät! Nie mehr vielleicht! Ach, Du bist anderswo!
Ich kenne nicht den Ort, an den Du gehen mußtest;
Ich hätte Dich geliebt und sah, daß Du es wußtest!
Ein Einblick in die "Werkstatt", Alternativen der letzten beiden Zeilen:
Der Ort, an den Du gingst, ist mir für immer unbekannt,
Doch hätt ich Dich geliebt, oh Dich, die das verstand!
Du weißt nicht, wo ich bin; wer weiß, wohin Du gingst?
Doch sahst du meine Liebe, als Du den Blick auffingst.
Wir sind einander fern und unbekannt und fremd –
Ich hätte Dich geliebt, das sahst du in diesem Moment.
Wir sind einander fern und fremd und unbekannt –
Doch hätt ich Dich geliebt, oh Dich, die das verstand!
Wir sind einander fern, getrennt durch das Geschick;
Ich hätte Dich geliebt, das wußtest Du in diesem Augenblick!
Womit ich nicht ganz zufrieden bin:
- der Ausdruck „trächtig mit Orkan“ (der fehlende Artikel [metrisch notwendig] wirkt etwas gekünstelt; die mögliche Alternative „trächtig vom Orkan“ würde etwas anderes bedeuten als hier gemeint ist)
- daß im vorletzten Vers das „Unwissen“ der vorübergehenden Frau wegfällt
Was meint ihr?
Viele Grüße
Lomano
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Hallo Lomano,
Beim Orkan stört mich der fehlende Artikel nicht. es ist ja kein Bestimmter, konkreter Orkan gemeint, sondern Orkan als Phänomen.
"Ich habe auf Sand gebaut" kommt auch ohne Artikel aus.
Bei den Schlußzeilen gefällt mir die vorletzte Version am besten, wobei ich "...die mich verstand" schreiben würde. "...die es verstand" klingt mir zu abstrakt, nach einer allgemeinen Menschenkenntnis. Hier aber geht es um das konkrete und spontane erkennen des Anderen, selbst wenn es nicht wirklich bewußt geschieht, um ein "sich auf einer Wellenlänge begegnen."
Insgesamt ist es ein solides Stück.
Schwächer finde ich das Reimpaar fast/Last:
"fast" nimmt dem Satz die Intensität des Unmittelbaren, die ich für diesen Text für wichtig halte.
Die Last, an der sie litt sollte sich auf ihre Trauer beziehen. Bei dir bezieht sie sich auf den Rocksaum, was der Frau im Grunde ihre Anmut nimmt. Der Eindruck soll doch sein, dass sie trotz ihrer Trauer Haltung bewahrt. Ein schwerer Rock, der auch physisch an ihr zerrt, passt da nicht.
Die Unwissenheit der Frau ist ja nur die Spiegelung der eigenen Unwissenheit, die so nochmal verstärkt wird. Die Situation an sich ist ja klar: Natürlich wissen zwei Fremde nicht voneinander wohin... Man kann praktisch nie jedes Detail herüberretten. An dieser Stelle finde ich es nicht weiter schlimm. Die Schlüsselstellen sind andere.
Liebe Grüße
ZaunköniG
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Ich kann deine Einwände gut nachvollziehen.
Bei "fast" und "Last" könnte ich mir noch andere Reime überlegen, um die beiden von dir wohl zurecht kritisierten Mängel auszubügeln.
Bei "... die mich verstand" muß ich aber widersprechen - das würde den Sinn des Originals entstellen, denn es geht ja nicht um eine Seelenverwandtschaft, sondern um eine zufällige, flüchtige erotische Begegnung im Getümmel der Stadt.
Viele Grüße
Lomano
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Naja, da habe ich mich wohl unklar ausgedrückt. Mit der Wellenlänge meinte ich keine Seelenverwandtschaft in dem Sinne, dass dort ein Anlass für Liebe auf den ersten Blick wäre. Diese Gefühle sind hier sehr einseitig, werden aber von der Passantin durchaus im hier und jetzt erkannt, wenn auch nicht erwidert. Ich denke, auch für sie ist es nicht "der Mann an sich" der eben mal einer schönen Frau hinterher schaut, sondern wird durchaus als Individuum in seinen Leiden und Sehnsüchten wahrgenommen, auch wenn er der Falsche ist, oder die Begegnung zur Unzeit kam.
So zumindest meine Lesart, hat Lyrich die Begegnung erlebt.
ZaunköniG
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Angeregt durch Eure Arbeit, hier mein bescheidener Versuch:
Einer Vorübergehenden
Die Straße um mich schrie, schien ohne Halt zu beben.
Dort schritt sie groß und schlank, die Schmerz und Trauer fassten,
vorbei; des Mantels Saum ⋅ sah ich die Frau ertasten,
um majestätisch stolz ⋅ die Borte bald zu heben;
Welch edelster Basalt ⋅ als sie die Füße senkt.
Aus ihren Augen trank, die mich im Wahne kühlten,
ich stilles Himmelblau, wo längst Orkane wühlten:
Die Lust bringt jedem Tod, den ihre Süße fängt.
Ein Blitz ... dann Nacht! und als die Schönheit weiterzog,
da ich, grad neu geborn ⋅ schon ums Vermissen wusste:
Ob je ein Wiedersehn ⋅ mit dir die Zeit erwog?
Zu spät? Man ahnt ja nie, wie man zuweilen irrt,
doch keiner weiß wohin ⋅ der andre eilen wird!
Ich hätte dich geliebt ⋅ dich, die drum wissen musste.
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