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NIEDERGLEITEN
#1
Zwischen Himmel und Erde

NIEDERGLEITEN

I.


Die Zeit nicht länger tändelnd zu verschwenden,
Versuch ich es, vom Fleiß dazu gemahnt,
Der mühsam Wege der Erkenntnis bahnt,
Von dir mein Sinnen endlich abzuwenden.

Denn aufgespeichert hier in dicken Bänden
Ruht mir ein Schatz von Wissen mancherlei;
Ich wähle kurz, schon bin ich ganz dabei
Und greife zu mit lembegiergen Händen.

Allein gleich trifft die emsigernst Bereite
Ein Wort, ein Nichts, das sich mit dir verknüpft;
Das bricht mit seinem klingenden Geleite

In meines Eifers Bannkreis ein gewaltsam.
Und durch die kleine Bresche wieder schlüpft
Zu dir mein ganzes Denken unaufhaltsam.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#2
II.

Ich lieb' es, unverwandt dich anzuschauen;
Ein holdes Rätsel ist dein Angesicht,
Das unverständlich immer zu mir spricht,
Als sollt' es ein Geheimstes mir vertrauen.

Erobrerglück verkünden stolze Brauen,
Genossne Gunst dein Mund, ein Rosenblatt
In goldner Schale, der so lächelnd satt
Der Küsse scheint, gereicht von andern Frauen.

In deinen Augen aber liegt von Trauer
Ein Widerschein, der ihren Glanz umflort,
Wie Himmelsblau, gesehn durch Regenschauer.

Das ist dein Innres, das blieb ungenommen !
Ein tiefes Unbewußtes dämmert dort.
Das nie berührt ward, ehe ich gekommen.


.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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#3
III.


Mein Freund, du hast unzählige Gestalten ;
Ein Proteus, unerschöpflich wandelbar,
Erscheinst du mir, und staunend nehm ich wahr,
Wie viele Formen sich an dir entfalten.

Bald zeigst du dich bedächtig wie die Alten,
In imversiegter Jünglingsfrische dann,
Bald bist du weiblich mild, bald stolzer Mann,
Erwärmst dich jetzt, um wieder zu erkalten.

Und tiefer Ernst imd Übermut des Scherzens
Und jede Regung, der du imtertan.
Verkündiget den Adel deines Herzens;

Denn was in allem Wechsel sich bewahret,
Es ist der Anmut göttliches Arkan,
Das schönen Seelen nur sich offenbaret.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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