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Welt und Glauben - 1. Teil: Zorn und Zuflucht
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Welt und Glauben
Erster Theil
Zorn und Zuflucht
1
Was wir gelebt, gelitten und erfahren,
Geliebt, gehofft, verfehlet und gefehlt
Im innern Heiligthum, in äußrer Welt,
Als Kinder und in reifern Mannesjahren,
Das laßt in Klang uns muthig offenbaren,
Von heil’ger Liebe lichtem Strahl beseelt
Und warmem Dank zu Ihm, der nie verfehlt,
Dem Kleinsen beizustehn von seinen Schaaren.
So laßt uns von dem Lichte Zeugniß geben
In dunkler Nacht, in Ohnmacht jener Stärke,
Die unser Haupt erhebt, uns spendet Kraft,
Er sprach: ich lebe und auch ihr sollt leben.
O Lust, zu helfen mit an seinem Werke
Durch seiner Liebe heil’ge Leidenschaft!
.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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2
Vermummt im Mantel aufwärts bis zur Nasen,
Doch Augen frei und Ohr zu beiden Seiten,
Will ich den tollen Mumenschanz durchschreiten,
Wo februarisch kalt die Lüfte blasen,
Und trauernd schaun rings auf der Thorheit Rasen,
Wo ernst und komisch ihren Kram sie breiten
Und sich dazu, die Dummen, die Gescheiden
In eignen Augen, Vettern, Tanten, Basen.
Doch Achtung, daß nicht selbst mich gar anwehe
der Thorheit Luft bei dem Vorübergleiten
Des Klingelhuts, der Schlittenpferde Läuten.
Ich bin vom selben Stoff; was rings ich sehe,
Mein Fleisch und Blut ist’s, ha, ich denk’ es, wehe!
Und will dennoch der Thorheit Heil bereiten?
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3
Hat Wasser erst die Dämme durchgebrochen,
Ist mit Verstand vorerst nicht viel zu machen;
Leckt hoch die Zunge schon des Feuerdrachen
Am Giebel, wird umsonst der Brand besprochen.
Weit durch die Luft erschallet ungerochen,
Brach einmal es hervor, das laute Lachen;
Schnell fliehn vom Munde des Verstandes Wachen,
Reizt Zornesmuth das Herz mit wildem Pochen.
Und wer sich rein im Busen nicht bewußt,
Und festzustehn auf rechtlich starken Füßen,
Geh’ weg mir unter meinen Füßen eben!
Mein Herz ist voll von Zornes-Schmerz und Lust
Hinweg, bevor die Schleusen sich erschließen,
Blitz, Regen könnt’s und Sturm und Schlossen geben!
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4
Im Jahre achtzehnhundert vierzig sieben
Sah Küh’ und Kälber hoch man in der Luft.
Der Adler haust in düstrer Bergeskluft,
Die Fische sah man sich im Trocknen üben.
Hier suchte man die Zeit zurück zu schieben,
Dort: vorwärts! Rosse geißelnd knallt und ruft
Ein Federheld und junger Zeitungsschuft,
Und jedes Mühlwerk ging von Dampf getrieben.
Im Karren ging der Mensch, doch auf den Dächern
Sah Esel man mit weiser Mien’ stolzieren,
Und „Nutzen“ war der Gassen Feldgeschrei.
Kein Mangel war an Recht- und Urtheilssprechern,
Arznei sucht’ man auf Nichts zurückzuführen,
Und Gotteswort erklärt’ man vogelfrei.
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5
Im Jahre achtzehnhundert vierzig sieben
War manchen Junkers Hut nicht goldumrändert;
Doch gingen Fraun und Mädchen reich bebändert
In bunter Seid’; man liebt’ und ließ sich lieben.
Man aß und trank und schlief und fischt’ im Trüben,
Und klatscht’; im Ganzen ward so fort geschlendert.
Ein Kenner fand die Welt nicht sehr verändert
Und sie noch ziemlich in der Mode blieben.
Gold, Weiber, Ehrgeiz, Herrschaft, Neulust, Grillen
Trieben mit der Kraft der Trägheit unablässig,
Als blauer Dunst, die alte Dampfmaschine.
Vergeblich Werk, es hieß um Gottes willes
Gethan, die Selbstsucht lachte übermäßig,
Zu ihrem Spiel rings fand sie gute Miene.
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6
Im Jahre achtzehnhundert vierzig sieben
Ward wenig nur gehört von großen Kriegen.
Kaum sucht’ sich einer selbst noch zu besiegen,
Als Thorheit galt die große Kunst zu lieben.
Und o sie ist’s; Liebhaber nur sie üben.
Der heil’ge Ehrgeiz, sich zu überfliegen,
Wodurch allein der Tugend Höh’ erstiegen,
Wahrheit erobert wird, wo ist er blieben?
Erobrungswuth der Laster und der Lügen,
Der Heuchelei, der niedern Vorurtheile,
Der Trägheit und des gottverlaßnen Geistes,
Wo taucht sie auf? Wo glänzt in reinen Zügen
Ihr Heldenantlitz aller Welt zum Heile?
„Es ist ein Narr, ein Philosoph“, so heißt es.
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7
Freund! solch ein Wort klingt eben gar nicht zierlich,
Auch gibst du dich fürwahr nicht sehr verbindlich,
In einem edlen Kreis bist du befindlich,
Geberde drum auch etwas dich manierlich.
Ja, ja, ihr wollt, sirenenhaft verführlich
Soll auch ich reden, wie ihr plaudert stündlich
Und tändelt zart mit Grazie und kindlich;
Ich nenn’ es rauh, gemein und ungebührlich.
Sinn, Herz und Geist, sind sie noch nicht erstorben,
So sind sie längst doch tief in euch verdorben,
Indem sie falsche Farb’ und Ton erworben.
Der gute Will’ allein dünkt mich manierlich,
Der treue Sinn allein ist zart und zierlich,
Ein Herz voll Liebe nur thut, was gebührlich.
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8
„Blick erst, bevor du dir zu sehr vertraust,
Und sieh den Sack auf deinem eignen Rücken;
Dann magst du in den Sack des Vormanns blicken
Und sagen uns, was du mit Grauen schaust.
Dicht an dich angespannt mit nerv’ger Faust
Der Armbrust Sehne, soll dir’s anders glücken,
Nicht weit in’s Blau, nein, fern in’s Schwarz zu schicken
Den Federbolz, der scharf die Luft durchsaust.
Wie höher ragen Pyramid’ und Thurm
Und Monument, so tiefer senkt man ein
Den dunklen Schaft, hinab in Erdengrund.
Wohl trotzten Eichen nicht Orkan und Sturm,
Bärg’ nicht, wie hoch sie ragt in Aethers Schein,
Sich tief die Wurzel, nah’ dem Höllenschlund.“
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9
Wohlmeinend hör’ ich eure Warnungsstimme
Von ferne säuselnd durch die laue Luft.
Wohl recensirt und tadelt mancher Schuft,
Nicht werth, daß ihm der Lebensdocht noch glimme.
Doch mächtiger, o Freund, und sonder Grimme,
Mir eine leise Liebesstimme ruft;
Das Veilchen ist’s auf meiner künft’gen Gruft,
Das mahnet sanft, daß ich mich nicht verklimme.
Wenn dort im Hügel meine Asche ruht
Und Frühlingslüste um den Rasen schweifen,
Treibt dort mein Staub ein Veilchen nur an’s Licht.
Ein Bettlerknabe pflück’s im frohen Muth
Und drängt am Thor den Wandrer mit Verkäufen;
O das erhebt den Stolz des Dichters nicht!
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