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Die Nymphe von Kreuzen
#1
Die Nymphe von Kreuzen
Dem hochedlen Herrn und Freunde
Moritz von Goldschmidt, als Zeichen hoher Achtung



I.  Auf der Höhe von Kreuzen

O steig’ herauf, du Wanderer, von Thale!
Es wachen deiner freien Seele Schwingen,
Indem du fröhlich strebst emporzudringen,
Wo du die Welt erschaust mit einem Male.

Da liegt sie, wachgeküßt vom Sonnenstrahle,
Durchzogen von der Donau Schlangenringen,
Im Kranz der Alpen, die sie stolz umschlingen,
Den Lebenstrank dir bietend in der Schale!

Schlürfe den Nektar ihrer heil’gen Quellen
Und schweb’, ein Adler auf den breiten Flügeln,
Über dem Land, dem Strom, den grünen Hügeln!

Ja – von Begeist’rung wird das Herz dir schwellen,
Dein Geist wird selig diese Welt umschließen,
Die Dein ist ... im Erkennen und Genießen!


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#2
II. Das Quellenreich

Das ist ein Rauschen, Gluken, lieblich Klingen
Von all’ den sichtbar- und auch unsichtbaren,
Verborg’nen Wässern, die sich flieh’n und paaren
Und in die Schlucht – und aus den Schluchten springen!

Du kannst sie alle nicht zum Rasten zwingen;
Und wenn sie ja dir plötzlich nahe waren:
So sind sie flugs in Schaum und Gischt zerfahren;
Das geht wohl hier nicht zu mit rechten Dingen!

„Undine“ ist’s – die Nymphe wohl von Kreuzen,
Die dich verlockt, umspielt mit ihren Reizen
In hundertfach sich wandelnden Gestalten.

Sie ist es, deren Zauber all’ hier walten;
Sie will in tausend Wellen dich entzücken,
Dich necken, kühlen, lieben und umstricken!


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#3
III. Zuflucht

Willst du entflieh’n der Stadt und ihrem Tosen
Und in dies Bergasyl die Seele lenken:
Laß allen Kampf zurück und trübes Denken
Und aller schalen Freude Flitterrosen!

Hier sollen mit dir nur die Lüfte kosen,
Nicht falsche Herzen schmeichelnd sich dir schenken;
Erinnerung mußt du in Lethe senken, -
Ein neues Leben winkt im Ländchen Gosen.

Dem Wanderburschen gleich, mit leichter Habe,
Der fröhlich singend zieht in blaue Ferne,
Vertrauend kindlich seinem guten Sterne, -

So wandle Du, mit grünem Hoffnungsstabe
Aus finst’rer Stadt, vergessend Lieb’ und Hassen –
Nur Dich – Dein Herz darfst du zurück nicht lassen!


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#4
IV. Durch!

Da eilt er rasch zu Tal in lust’gen Wellen,
Der Bach von Kreuzen in die Welt hinunter;
Doch plötzlich, groß und klein und immer bunter,
Erhebt sich wild Gestein vor den Gefällen.

Kannst du, mein Bächlein, diese Wucht zerspellen?
Da willst zu durch? – das brauchte wohl ein Wunder!
Dein Lauf ist aus – begrabe dich darunter
Und gib zurück der Erde deine Quellen!

Doch schau’, - er bricht sich Bahn durch Riß und Schluchten
Und peitscht den Stein mit nimmersattem Zorne –
Und aus der Tiefe springt nun der Verlor’ne!

Und ließ den Schmutz zurück von seinen Fluchten;
Frei eilt er hin – neu will das Leben winken –
Um in dem Schoß der Donau zu versinken!
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#5
V. Im Eichenhain

Erwartet keinen Lust-Hain der Druiden,
Auch keinen Opfer-Altar, keine Priester –
Ein lauschig Plätzchen nur, fast freundlich-düster,
Zur stillen Lust für einen Wandernsmüden!

Die jungen Eichen, die den Raum umfrieden,
Sie reden zu dir leis’ im Blattgeflüster;
Du schaust durch’s Laub, ein froher Lenzbegrüßter,
Hinaus – hinab – zum lichtverklärten Süden!

Ist dieser kleine Hügel mit den Eichen
Des Liedes wert – und keinem zu vergleichen? –
Nein! Wanderer! s’ ist ein kleiner Hain, wie viele.

Allein erleb’ hier, was die Lenzgefühle
Berührt mit Lust und Wehe dieser Erden;
Er wird dir ewig unvergeßlich werden!


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#6
VI. Frühlingstod

Der Frühling ist bereits in’s Land gegangen
Und lockt an’s Licht unzählbar tausend Blüten;
In Flur und Wald ein süßgeheimes Brüten,
Im jungen Grün so Saat als Bäume prangen!

Da – über Nacht – das Auge sieht’s mit Bangen –
Erlag der Lenz des Nordsturms eis’gem Wüten;
Er konnte nicht die Kinder mehr behüten, -
Sie ruh’n, vom Leichentuch des Schnee’s umfangen.

Grausame Mutter! allgepries’ne, hehre
Natur! was tötest du das junge Leben,
Das du doch selbst der Erde hast gegeben? –

„Ich diene, ob ich schaffe, ob verheere,
Der weisen, ew’gen Urkraft und sonst keiner;
Was ist, - das muß! – Warum? das weiß nur Einer!“

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#7
VII. Am Jägersitz

Hoch auf der Felsenthrone höchster Warte
Ein Tischchen und ein Bänkchen leicht gezimmert;
Die lieblich warme Morgensonne schimmert
Durch Birkenlaub, das hellgrün-wunderzarte.

Aufragt, vom Abgrund hoch, die Waldstandarte
Wohl tausendfach, die Wipfel tauumflimmert, -
Zuerst das Licht zu saugen, süß bekümmert, -
Und wächst und steigt aus finst’rer Felsenscharte.

Und aufwärts drängt die ganze Welt der Bäume,
Und flüsternd träumt sie künft’ger Lenze Träume
Und selig sonnen sich die höchsten Triebe!

Aufwärts, zum Lichte, Mensch, wie diese, dringe!
Im Lichte wächst dem Geist der Freiheit Schwinge;
Die edle Freiheit lehrt dich – Menschenliebe!


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#8
VIII. Siesta

Ruh’ – weit im All! und ruhe auch im Denken –
Ruh’ im Gefühl – und ruhe in den Sinnen!
Du schaust nur, wie die Wässerlein so rinnen,
Vorübergleitend Strauch und Gräser tränken.

Das ist ein Sich-in-die-Natur-versenken –
Ein Sich-verlieren und Sich-selbst-gewinnen,
Indessen holde Träume dich umspinnen,
Die deine Seele kosend heimwärts lenken!

In’s unbekannte Heim, woher sie stammte,
Ins künft’ge Heim, wofür sie sich entflammte,
Als deine Jugend noch im Glauben blühte!

Das ganze Leben wird dir fast zur Mythe;
Wie süß, die Augen lächelnd still zu schließen
Und lebend in das Weltall zu zerfließen!


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#9
IX. Wolfsschlucht

Allüberall im Abgrund Felsentrümmer!
Gebroch’ne Tannen und des Baches Brausen,
So in der Luft wie im Gestein ein Sausen,
Im faulen Holze rötliches Geflimmer!

Des Geyers Schrei – des Käuzleins Nachtgewimmer
Erfüllen diese Schlucht mit wildem Grausen;
Hier seh’ ich seltsame Gestalten hausen –
Und ich erkenne sie im Mondesschimmer!

Da seh’ ich Mar, den guten, schwachen Jäger –
Und Kaspar auch, der Teufelspläne Heger
Und sie die fromme, liebende Agathe.

Die Wolfsschlucht ist! – sei, Weber, nochmals Pate
Zu deinem „Kind“! – die drei genannten Seelen –
Sie werden auch in Kreuzen dir nicht fehlen!


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#10
X. Waldconcert

Sie stimmen schon – die Waldesmusikanten,
Die Amsel und der Fink, die kleine Meise,
Der Heher laut, rotkehlchen sanft und leise –
Und alle melden sich die Sangverwandten.

Auch zuzuhören ... aus den grünen Landen
Machen die Tierchen ihre kleine Reise;
Eichhörnchen horcht ... auf jede liebe Weise,
Und selbst der Geyer auf den Felsenkanten.

Sie singen eben, wie sie’s können alle!
Wie klingt und lebt der Wald vom lauten Schalle –
Vom unsichtbaren, schlichten Waldconcerte!

Die kleinen Sänger lieben Licht, - die Erde,
Freu’n sich des Daseins, ob es kurz ob lange! –
Mach’ es wie sie, mein Freund, und sei nicht bange!


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