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Vogelherd-Klänge aus dem Thüringer Wald
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Vogelherd-Klänge
aus dem Thüringer Wald
den geehrten deutschen Ornithologen
bei ihrer Zusammenkunft in Gotha
im Juli 1854
I.
Mit Jagdgeräusch, mit einem wundersamen,
Mit Hifthornschalle, mit Gebell der Rüden
Wird’s laut im Westen, klingt’s in Nord und Süden,
Regt sich’s von Jägern, Rittern und von Damen.
Die Vorwelt ist erwacht! – Zahllose kamen,
Als ob zur Jagd sie tausend Stimmen lüden.
Der Falke steigt, um Kranche zu ermüden
Und Reiher, die die Flucht zum Äther nahmen.
Doch wie? Wohin der Jobelton? Es lauschet
Das Ohr umsonst. Im weitgezognen Ringe
Hat andre Freuden sich die Welt getauschet.
Die Zeit begehrt, daß andrer Ruf ihr klinge.
Drum fragt ihr wohl, warum noch, lustberauschet,
Vom Vogelwaidwerk ich Gesänge bringe?
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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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II.
Beschaut den kleinen Wildbann nicht mit Hohne!
Wer war bei Quedlinburg der frühe Sänger
Zum trauten Platz? Hier saß ein edler Fänger
Beim Finkenherd, daß der mit Lust ihm lohne.
Der Herzog Heinrich war’s! Da säumt mit Krone
Und Königsschwerdt die Botenschaar nicht länger.
Sie beuget sich dem Königsschmuck-Empfänger,
Den Deutschland hob zum größten Herrscherthrone.
So mancher müht sich wohl, daß er beschönig’
Unedle Sucht, und hofft, Füllhörner schütte
Das Glück ihm aus; gern wär’ er Landeskönig.
Mir aber laßt, - daß Niemand ihn zerrütte! –
Den Drosselherd im Herbst, so freudetönig!
Ein König bin ich schon in dieser Hütte.
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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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III.
Dank dir, vertraulich Häuschen, grünbekleidet,
Mit kleinem Ofen, der den Rauch verstecket,
Mit Tisch und Sitze, der nicht weit sich strecket,
Und wenig Schritte nur vom Herd mich scheidet!
in dieser engen Öffnung jetzt wie weidet
Sich Ohr und Auge mir, da, froh erwecket,
Der Locker Chor beginnt und, rasch entdecket,
Hochschwebend Wild Aufschub der Wandrung leidet!
Üb’, Herenschaar, nur deine Falkenbeize,
wie Friedrich sie beschreibt, der hohenstaufe!
Fern der Verschwendung bleib’ ich und dem Geize.
Die Freude, Fürst, um hohen Preis erkaufe!
Statt Falken brauch’ ich Lockruf, Beerenreize
Und Netz, und folge nicht mit Rosseslaufe.
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IV.
Wer sagt, Natur, daß grausam ich zerreiße
mit dir mein Bündniß, wenn von Millionen
Der Vögel Hunderte mir sollen lohnen
Für eine Kunst, der ich mich gern befleiße?
Von all den Freuden, die ich mir verheiße,
Wann Vogelschwärme fliehn nach wärmern Zonen,
Sind nicht die kleinsten wohl der Steg der Dohnen
und das geheime Labyrinth der Schneiße.
O welcher reiz der hoffnungsvollen Gänge!
Der Herbst mit fangversprechender Geberde,
Im wald’gen Grün roth Vogelbeergepränge!
Glanzhimmel jetzt, dann Nebel, Reif der erde,
Bunt Laub und zieh’nder Sängerschaaren Klänge!
Was aber gleicht der Lust beim Vogelherde?
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V.
Erscheint mein Hang als Federwild-Verderber:
So laßt nur soviel Beute mich erlangen
Im Jahr, wie viel zwei Tannenfalken fangen
Und was erwürgt Ein Weibchen nur vom Sperber.
Alltäglich ziehn nach Fraß die frechen Werber;
Ich jag’ im Herbst. Von ihnen ohn’ Erbangen
Wird jeder Zeit an Vögeln Raub begangen;
Bring ich verlust, ist der ein minder herber.
Drum sprechet nicht sogleich mir von Vernichtung
Des Waldgefieders, wie wenn aus den Fugen
Weltordnung geh’. Ihr seid mir voll erdichtung.
So viel auch Netze Vögel überschlugen:
Es bleiben noch in jeder Himmelsrichtung
Millionen von den bunten, schönen, klugen.
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VI.
Gehören uns nicht Aal, Forelle, Barbe
Und Karpfe mit den bunten Spiegelschuppen
Und haarig Wild, das uns in regen Gruppen
Umspringt, damit nicht mancher Wunsch uns darbe?
Sprich, wen entzücken nicht durch Flug und Farbe
Und Wohlgestalt und Lied auf Bergeskuppen
Und Flur die Vögel, die nach Wurm und Puppen
Sich bücken und nach nähr’ndem kern der Garbe?
Nach ihnen zog’s mit dauerndem Verlangen:
Sie waren’s, die zuerst bei deiner Wohnung,
Zuerst um deine Kindheitgärten sangen.
Nimm Beute dir und nimm dir Jagdbelohnung
Aus ihrer Schaar. Doch scheuch’ der Bosheit Schlangen
Von deiner Lust. Üb’ oft auch milde Schonung!
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VII.
Und wollen dennoch allzuweiche Seelen
Nichts sehn gefangen: auf! ihr Mitleid trachte,
Daß Niemand mehr Hausvieh ermord’ und schlachte
Und zahmen Vögeln schneide durch die Kehlen.
Soll ewig denn auch Schafen Freiheit fehlen,
Euch Ziegen? Fort! Kein Thier gefangen schmachte!
Flieh’, mächt’ger Stier, und Zwang und Joch verachte!
Fort mit den Rossen, Eseln und Kameelen!
Frei mag nun Alles, Masse bunt an Masse,
Gehn, fliegen, schwimmen, durch einander springen,
indem mit Tötung Niemand sich befasse.
Wird euch, Empfindsame, das Werk gelingen,
Dann rathen wir auch: Jeder unterlasse
Der Federthiere Fang durch Garn und Schlingen.
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VIII.
Ja, nehmet nur, ihr menschlichen Geschlechte,
Was an den Thieren euch zu eurem Theile
Gebührt, durch Netz und Feuerrohr und Pfeile
Und Schleifen und durch mancherlei Geflechte.
Ihr dürft’s euch nehmen mit demselben Rechte,
Mit dem ein Meersturm, roth durch Donnerkeile,
Zugvögel haufenweis begräbt in Eile.
Ihr seid der Schöpfung Herr’n, nicht ihre Knechte. –
Rothkehlchen locken jetzt in allen Kreisen,
Wo nur ein Dorfeszaun ist aufgeschossen,
Wo nur ein Bächlein hüpft in hellen Gleisen.
Hier klein Gebüsch, dort hohe Baumkolossen
Durchstreifen stets die immerfrohen Meisen
Und scheinen ganz des Herbstes Lustgenossen.
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IX.
Wer einen Herd, wie den, sich zugerichtet,
Sag’: hat er auch an Herbstgesang gewöhnte
Lockchöre, Sänger, die die Palme krönte?
Wenn nicht: hat er auf reichen Fang verzichtet.
Von außen mildumschattet, weitgelichtet
Von innen sei der Strauch, der liedumtönte,
Von Menschenhand naturgemäß verschönte,
In wohlgewählter Gegend aufgeschichtet.
Da plötzlich ist ein graues Paar Grasmücken,
Auf seinem Weg verspätet, eingeflogen
Und dieß Rotkehlchen! Freundlich beugt’s den Rücken.
Wer wäre solcher Rothbrust nicht gewogen?
Nach euch, ihr kleinen, will ich hier nicht rücken.
Fliegt aus und ein und weiter, unbetrogen!
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X.
Rothkehlchen, lieblichster von allen Sängern!
um Hütten, arm, glanzlos, durch’s Alter graulich,
Um Prachtpaläste hüpfest du vertraulich.
O wärest du befreit auch von Bedrängern!
Sie sollten dir das Leben eh’r verlängern,
Als kürzen. Stets ist reizevoll-beschaulich
Dein Wesen, klingt dein Lied dem Ohr erbaulich.
Rotkehlchen, freundlichster von allen Sängern!
Die Sage spricht: Du trugst verirrten Kindern
Einst Beeren zu, mit Blumen dann sie deckend,
Den herben Schmerz des Todes noch zu lindern.
Sie spricht: Du kamst, die grünen Flügel streckend,
Zum Kerker, des Gefangnen Leid zu mindern,
Den Weltverlaßnen neu zum Leben weckend.
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Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck.
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