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ERSTES BEGEGNEN - ZaunköniG - 13.04.2024 Zwischen Himmel und Erde ERSTES BEGEGNEN I. Erbrause Lebensatem, Windesreigen, Der du auf deinen Flügeln Keime trägst. Den winterlichen Früchtebaum erregst, Daß innen seine Säfte quellend steigen! Noch ruht das volle Herz, wie in den Zweigen Die Äolsharfe hängt, von Tönen schwer. Die in die Saiten sind gebannt, bis er. Der Brausende, sie weckt aus ihrem Schweigen. Bist du ein Frühlingshauch, der lieblich gleitend Den Staub der Blüten wirbelt himmelwärts — ? Wirst du in Ungewittem donnerschreitend Die Seele brechen, der du hier begegnest? Erwecker, Schicksal, Liebelebensschmerz, Was du auch bringen magst, ich weiß, du segnest. . ERSTES BEGEGNEN 02 - ZaunköniG - 30.06.2024 II Es bleibt mein Blick an seinem Antlitz haften, Nach alledem sich spähend auszustrecken, Was schweigend seine Lippen nicht entdecken Und nicht, wenn sie dem Schweigen sich entrafFten. In seinen Mienen, die so rätselhaften Geheimen Widerhall in mir erwecken, Scheint bald ein Schalk sich lächelnd zu verstecken, Und bald die Schwermut tiefer Leidenschaften. Wer bist du, wunderbarer Unbekannter? Dich grüßt in mir ein dämmerndes Erinnern, Als wärst du langvermißt mir ein Verwandter, Als hätte ich in fernen Kinderjahren Dich schon erblickt, um unbewußt im Innern Ein sehnend Deingedenken zu bewahren. . RE: ERSTES BEGEGNEN 03 - ZaunköniG - 05.08.2024 III Von der geheimnisvoll verschlossnen Pforte Kenn ich ein Märchen aus dem Morgenland, Die, unsichtbar an starrer Felsenwand, Sich öffnen soll dem einen Zauberworte. Nur wer zur rechten Zeit, am rechten Orte Ausspricht das Wort, dringt in das Innre ein ; Da schwankt das unbewegliche Gestein, Ein Weg wird frei zu tiefverborgnem Horte. Du fremde, unnahbar verschlossne Seele, Das Wort, das mich in deine Tiefe führt. Wie Sprech ich's aus, daß ich es nicht verfehle? Ich rufe — hörst du mich? — und lausche bebend. Ob sich nicht leis der stumme Felsen rührt. Mit Klingen mir das erste Zeichen gebend. . RE: ERSTES BEGEGNEN 04 - ZaunköniG - 07.08.2024 IV Schon fragt' ich mich, ob dir Empfindung fehle; Du warst so anteilslos und überlegen, Nach außen kalt, ein Bild, nicht zu bewegen — Nun scheint es, daß sich Leben in dich stehle. Dein Auge wird beredt, es strahlt die Seele Als sanfte Flamme mir daraus entgegen. Und innigsten Gefühles Töne regen Sich neu und ungekannt in deiner Kehle. Was mochte dieses Wunder wohl vollbringen.'* Kein Wunder war's ! Du streiftest nur die Hülle, Die Schutz gewährt, von deines Herzens Fülle, Wie aus den Banden, die sie lang umfingen, Die dunkle Chrysalide in das Helle Empor sich schwingt als schimmernde Libelle. . RE: ERSTES BEGEGNEN 05 - ZaunköniG - 30.10.2024 V. Der Hund will nicht von deiner Seite weichen, Umsonst befiehlst du ihm, daß er sich trolle; Denn deine Stimme ist's, die seelenvolle, Die ihn verlockt, dir wieder nachzuschleichen. Dem armen Schelme muß ich mich vergleichen. Verlockt auch ich, geschehe, was da wolle. Ob mir auch die Vernunft beständig grolle, Den ganzen Tag um dich herumzustreichen. Vernunft, sie ist bewundernswert vernünftig; Ich beuge willig mich dem Spruch, dem harten. Den sie vollzieht — doch beug' ich mich erst künftig. Zu süß erscheint mir's, hinter ihrem Rücken Freischweifend in der Muße Rosengarten Den unbewachten Augenblick zu pflücken. . RE: ERSTES BEGEGNEN 06 - ZaunköniG - 03.11.2024 VI Erzähl! Ich lausche den beredten Tönen; Du führst mich in das Land der Hesperiden, Wo die Natur in üppig reichem Frieden Sich schmückt gleich einer brautgewordnen Schönen; Du führst mich in das Land von Rurik's Söhnen Im rauhen Norden, das die Götter mieden, Als sie der Erde ihren Reiz beschieden — Und nennst es schwierig, dort sich zu gewöhnen. Ich folge auf den weiten Wanderzügen So gern wie nach Ausoniens Blütenfluren In unwirtliche Steppen deinen Spuren. Sie sind's, die meiner Forderung genügen ; Sie lehren mich, wohin ich mit dir dringe, Daß deine Gegenwart Beglückung bringe. RE: ERSTES BEGEGNEN 07 - ZaunköniG - 05.11.2024 VII. Den Weg, besäumt vom Dorngestrüpp der Schlehen, Geh ich mit ihm entlang der Friedhofsmauer; Der herbstlich trübe Himmel färbt sich grauer, Und kalt fiihl ich den Wind aus Norden wehen. Kein menschlich Wesen läßt sich weit erspähen, Es webt ringsum des Todes ernster Schauer; Mit heiserm Schrei in diesem Reich der Trauer Umfitticht uns die schwarze Schar der Krähen. Doch an Vergänglichkeit die düstre Mahnung Kann meiner Seele Frohsinn nicht erdrücken. O sagt, was ist das freudige Entzücken, Das ihr, sich frei von banger Todesahnung Zum Hochgefühl des Lebens zu erheben, Die goldnen Flügel mag der Wonne geben ? RE: ERSTES BEGEGNEN 08 - ZaunköniG - 13.11.2024 VIII. Schon zählt' ich mich zu jenen Leidgeprüften, Die sich in Schweigen senken, tief in sich; Entiaubte Seelen sind sie, winterlich Erstarrtes Leben in beschneiten Grüften. Ungläubig fragen sie, wenn's in den Lüften Mit mächtiger Bewegung brausend weht: Gibt es noch etwas, das da aufersteht. Noch Sonne, Vögel, Blumen voll von Düften? Wie aber könnte ich mich dir verschließen. Du linder Tauwind, heller Frühlingstag ! Es wollen alle Quellen wieder fließen. Wo deine Sonne spielt mit warmen Blicken, Erwachen alles, was erfroren lag. Um sich für dich mit neuem Grün zu schmücken. . RE: ERSTES BEGEGNEN 09 - ZaunköniG - 15.12.2024 IX Was hält noch zögernd über Wald und Auen Des Abends blassen Schimmer festgebannt, Und läßt den Himmel über Strom und Land In unerloschnem Glänze niederblauen? Es will die Nacht mit ihrem Dämmergrauen Nicht überschatten noch dein Angesicht; Vom Tage borgt sie sich ein letztes Licht, Um nimmersatt ins Auge dir zu schauen. Dich liebt die Nacht. Sie raubt von deinem Munde In liebesdurstgem Kuß den lauen Hauch Und trägt ihn selig durch die weite Runde. Da regt aus ihrer Ruhe traumversunken Sich die entschlafne Hur, und Baum und Strauch Erschauem leis mit mir, von Sehnsucht trunken. . RE: ERSTES BEGEGNEN 10 - ZaunköniG - 25.12.2024 X So Wort um Wort hab* ich aus deinem Munde Unlöschlich in Erinnerung empfangen; Sie sind, wie flüchtig sie zu mir gelangen, Mir doch von deinem Herzen teure Kunde. Ich rufe sie zurück in jeder Stunde; Besorgt, ob mir gewiß kein Zug entgangen, Mit Freude, und vielleicht manchmal mit Bangen, Verfolg ich sie zu ihrem tiefsten Grunde. Dem Maler gleich, der uns nur dann mit Treue Des Vorbilds Miene wiedergibt und Haltung, Wenn er sie prüfend stets vergleicht aufs neue, Bemüh' ich mich, aus den bewahrten Zügen Dein Wesen in lebendiger Gestaltung In mir zum Bilde aneinandzufügen. |