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Hohe Liebe - ZaunköniG - 15.02.2024 Hohe Liebe ( Sonettenkranz ) 1. Ein kleines Eiland gönnet mir in Güte, Den Wellen und dem Sturme abgezwungen, Damit ich drauf in Friedensdämmerungen Das Paradies verschwieg'ner Liebe hüte. Ach, schon so manche stille Herzensblüthe, So manches Lied mißrathen und gelungen, Hat der empörte Strom der Zeit verschlungen, Und immer ärmer werd' ich im Gemüthe! Ich weiß, dies Eiland auch kann nicht bestehen, Und wie es aufgetaucht, so wird es eben Im Wasser über Nacht versinken gehen. Dann sollt ihr wieder mich im Strudel streben, Mich mit den Brüdern wieder rudern sehen Und mit dem Strome streiten um mein Leben. RE: Hohe Liebe 02 - ZaunköniG - 20.06.2024 2. So lang ich denke, tracht' ich nun nach Frieden; Je mehr ich über wilde Wasserwogen, Durch Berg und Thal ihm suchend nachgezogen, Je mehr hat er mich Suchenden gemieden. Sein Trugbild war mir dann und wann beschieden Zu Trost und Hohn, ein siebenfarb'ger Bogen, Auf das Gewitter meiner Zeit gelogen, Das Ende droben, der Beginn hienieden. Da gehest du mir auf, du Bild der Gnaden, Und führst aus labyrinthischem Gewinde Mich in mich selbst zurück auf sanften Pfaden. Nun zieh' ich, vor den Augen eine Binde Und in der Hand der Liebe rothen Faden, Dem Frieden nach, gewiß, daß ich ihn finde. RE: Hohe Liebe 03 - ZaunköniG - 22.06.2024 3. Eh'r wollt' ich, daß die Zunge mir verdorrte, Als daß sie je von Liebe zu dir spräche; Bevor ein Blick verkünde meine Schwäche, Auf ewig schließe sich des Auges Pforte! Ich trag' in mir den heiligsten der Horte; Verrath an ihm? Nein, daß mein Tod ihn räche! Hoch drüber soll mit glatter Oberfläche Die Welle rauschen, meines Liedes Worte. Sogar dein Bild, geschützt durch eignen Schimmer, Steht über mir in seinem Edelschreine, Und selbst mein Traum berührt es frevelnd nimmer. Nur daß ich vor ihm knie, bete, weine, Gestatte das, du Namenlose, immer Und sei in diesem einen Sinn die Meine! RE: Hohe Liebe 04 - ZaunköniG - 24.06.2024 4. Verkehrte Wege leitet mich die Liebe Und setzt, was sonst zum Anfang steht, am Schlusse: Ich kehre schon zum Blick zurück vom Kusse, Schon zur Entsagung vom gestillten Triebe. Auch weiß ich nicht, welch' Ziel ihr übrig bliebe Nach aller Sättigung zum Ueberdrusse, Wenn sie in geistig-sinnlichem Genusse, Nicht immer rückwärts ihren Kreis beschriebe. Daß späte Reue nur auch wiederbrächte Die frühe Gluth, in Dunst und Rauch verlodert, Die Kraft verträumter Tage, heißer Nächte! Ein ganzes Herz ist, was die Liebe fodert, Und ach! zu spät erkenn' ich, daß die ächte Allzeit in Einer Brust entsteht und modert. RE: Hohe Liebe 05 - ZaunköniG - 26.06.2024 5. Was sind denn diese hohen Spiegelwände, Von hundertfachem Kerzenglanz durchflittert, Was anders als ein Käfig, reich umgittert, Als einer Rebe hölzerndes Gerände? Dein Auge täuschte, wenn es nicht empfände, Daß jede freie Ranke dort verwittert, Wenn in dem Blick, der oft in Thränen zittert, Kein dunkles Ahnen und Verlangen stände! Erschiene doch in Traumgesichtes Helle Dir einmal, so viel reicher oder ärmer Als dein Palast, die traute Dichterzelle! Da kniet, außen kälter, innen wärmer, Dein Bild bekränzend auf verhüllter Schwelle, Ein still beglückter, still entzückter Schwärmer! RE: Hohe Liebe 06 - ZaunköniG - 28.06.2024 6. Ein kindisches und doch ein schönes Treiben: Zu schreiben überall den einen Namen, In Schnee und Erz, in Bast und Kressesamen, Und mit dem Diamant in Fensterscheiben! Ich darf allein nicht nennen und nicht schreiben Den Namen meiner Dame aller Damen, Und meine Kunst verherrlicht blos den Rahmen, Indeß umschleiert stets das Bild muß bleiben. Da wagt ich denn der sieben Leute Segen, Zu Trotz dem harten Zwang und dem Verluste, In eines Reimes Wiederhall zu legen. Nun tönt er, den ich streng verschweigen mußte, Ein Echo aus der Grotte, dem entgegen, Der recht zu rufen, recht zu lauschen wußte. RE: Hohe Liebe 07 - ZaunköniG - 30.06.2024 7. Die Liebe mag beredt sich gerne zeigen, Beredt in guten und in schlimmen Tagen; In Jubel überströmt sie, strömt in Klagen, Um nur, so lang sie küsset, stillzuschweigen. Doch meinem Liebesdienst um dich ist eigen, Daß ihm die leichten Worte leicht versagen, So daß ich oftmals deinen sinn'gen Fragen Begegnen muß mit stumm verleg'nem Neigen. Der Mund, der sich an andere verschwendet, Warum wird seine goldne Kunst zu Schanden, Sobald dein Ohr sich huldreich zu ihm wendet? Nicht wahr, du hast sein Schweigen mehr verstanden, Als seine Rede, wenn sie stammelnd endet? Du weißt, ihn hält ein volles Herz in Banden! RE: Hohe Liebe 08 - ZaunköniG - 02.07.2024 8. Du liebst es, dich in wildem Tanz zu drehen, Umschwärmt von bunten oder schwarzen Gecken, Die deine schöne Hand wetteifernd lecken, Doch nie dein Herz, dein schönes Herz verstehen. Ich mag indeß im Saal traumwandelnd gehen, In dunkler Nische schweigsam mich verstecken, Und wenn mich laute Hornfanfaren wecken, Im Fluge dich vorübergaukeln sehen. Urew'ge Scheidung, der sich Gott erbarme! Was reißest du in deines Jubels Wogen Mich nicht empor mit weißem Nymphenarme? Warum hab' ich nicht, kräftig und verwogen, Dich lieber aus dem eitlen Schwall und Schwarme In meine Einsamkeit herabgezogen? RE: Hohe Liebe 09 - ZaunköniG - 04.07.2024 9. Unmöglich! Ach, die Liebe war es nimmer, Es war der Haß, der dieses Wort erdachte; Die Liebe war's, die immer möglich machte, Was aller Welt unmöglich schien für immer. Fragt drum Leander, den beherzten Schwimmer, Fragt Eginhard, der seines Kaisers lachte, Als ihn Schön-Emma auf den Schultern sachte Hinwegtrug durch den Schnee und Mondenschimmer. Erst seit die Liebe aus der Welt verschwunden, Verschwinden auch die Zeichen und die Wunder, Und nun wird selbst das Mögliche unmöglich. Noth thät', es würd' ein neues Wort erfunden Und neue Lieb'! Der Teufel hol' den Plunder: Nicht 'mal ein Reim ist auf unmöglich möglich! RE: Hohe Liebe 10 - ZaunköniG - 06.07.2024 10. Wenn einst der Wind aus dem Sonettenkranze In deine Hände weht der Blätter eines, Ob du den Spiegel deines holden Scheines Dann wohl erkennen wirst in ihrem Glanze? Das ist kein Schritt verkehrt im Strophentanze, Unkeusch kein Reim, gemein der Bilder keines, Weil um ein reines, hohes Bild, um deines, Sich schlingt und reiht das anmuthvolle Ganze. Ich wäre glücklich, dürft' ich niederstreuen Den Strauß, so daß er dir zu Füßen fiele, Und wollte sein ein milder Blick sich freuen. So dient er leider mir allein zum Spiele Und muß, gleich Blumen, so die Sonne scheuen, Entfliehn, wohin er strebt, von seinem Ziele. RE: Hohe Liebe 11 - ZaunköniG - 10.07.2024 11. Wie lieb' ich diese Winterabendträume, Die um dein Licht ihr Flügelspiel entfalten, Die ahnungsreich mit Tönen und Gestalten Bevölkern, wo du weilst, die hohen Räume. Bald klimmen sie hinauf die nackten Bäume Und schaun von da neugierig in dein Walten, Bald lauschen sie an deiner Thüre Spalten Und lugen um des Vorhangs Purpursäume. Doch taucht ein Kopf mit wohlbekannten Locken, Ein wohlbekannter Schatten, schwach umrissen, Am Fenster auf: so flüchten sie erschrocken. Ich fühle dann, als schlüg' mich das Gewissen, Den Fuß am Grund, das Blut im Herzen stocken, Und berge mich in tiefren Finsternissen. RE: Hohe Liebe 12 - ZaunköniG - 12.07.2024 12. Ein andrer Jakob steig' ich unverdrossen Hinauf die licht- und luftgewebte Leiter, Mit jeder Nacht um sieben Träume weiter, Mit jeglichem Sonett um vierzehn Sprossen. Die Engel haben schon sich angeschlossen Der Himmelfahrt als Boten und Begleiter, Ihr alle ähnlich, hold wie sie und heiter, Wie sie von Glanz und Glorie hell umflossen. Und blick' ich abwärts, wo ich hergekommen, So liegt tief unten die verlorne Erde, Zusammt dem Rückweg ganz in Nacht verschwommen. Und blick' ich auf mit flehender Geberde, Zum Ziele auf, dann seufz' ich stillbeklommen: Wie weit! Wie weit! Weh, wenn ich müde werde! RE: Hohe Liebe 13 - ZaunköniG - 14.07.2024 13. Dein Leben, reich und herrlich anzuschauen, Und hoch wie keines, gleicht dem off'nen Meere: Auf seiner Fläche eine große Leere, In seiner Tiefe manches Abgrunds Grauen. Vermöchtest du dem Freunde zu vertrauen, Er ließe drüber in demantner Schwere, Besät mit sternegleichem Liederheere, Der Liebe Himmel weit und offen blauen. Doch See und Himmel sind sich ewig ferne, Und jene bricht an öden Felsgestaden Verschwendend ihrer Muscheln edle Kerne; Indessen dieser, wunsch- und grambeladen, Ziellos herabstürzt seine besten Sterne, In Nacht erloschen und in Nebelschwaden! RE: Hohe Liebe 14 - ZaunköniG - 16.07.2024 14. Nein, lieber stumm vor Zorn und Schmerz vergehen, Als aufgeputzt am Leib, im Geist zerschlagen, In folterndem Verlangen und Verzagen, So stundenlang an deiner Seite stehen! Ich fühle deines Athems Wärme wehen, Seh' deine Augen dicht vor meinen tagen, Und darf den Blick in ihren Glanz nicht wagen, In's nahe Ohr kein flüsternd Liebesflehen! O sei beschworen, sei es auf den Knieen: Wenn ich die Kraft zu fliehen nie besessen, Besitze du sie, dich zurückzuziehen; Was Pflicht und Sitte heischt, das wolle messen Und streng auf deine kühle Höhe fliehen, Damit ich könne, was ich muß: vergessen! RE: Hohe Liebe 15 - ZaunköniG - 05.08.2024 15. Ich habe nie ein wirklich Glück empfunden, Wie oft es Feinde mir auch neiden mochten: In jedem Kranz, vom Schicksal mir geflochten, Fühl' ich die Dornen nur, die mich verwunden. Es waren immer meine besten Stunden Vergällt von Launen, die im Finstern kochten, Von Schwächen, die den Willen unterjochten, Von Reu' und Schmerz um das, was längst geschwunden. Nun muß es sich zum Ende seltsam fügen, Nachdem mir Wahrheit nicht genügen konnte, Daß mir ein Wahn, ein Spiel, ein Traum genügen. Das Tageslicht, an dem ich nie mich sonnte, Ist wohl hinab; doch seine Strahlen lügen Ein schönres Abendroth am Horizonte. RE: Hohe Liebe 16 - ZaunköniG - 09.08.2024 16. Ich raffte den Sonettenkranz zusammen Und nahte mich dem lodernden Kamine; Daß nie ein Blatt des Tages Licht beschiene, Zum Feuertode wollt' ich sie verdammen. Geliebte Blumen, die vom Frühling stammen, Bald nur noch eine kohlende Ruine! Verwelkter Strauß, dein kurzes Leben diene Als Nahrung jenen opferfrohen Flammen! Schon zuckte meine Hand, die allzurasche, Ich sah die Blätter sich geduldig neigen, Das Feuer züngeln, daß es sie erhasche; Da klang es über mir durch Grabesschweigen: Verbrenne! Doch es wird aus ihrer Asche Verjüngt der Phönix deiner Liebe steigen! RE: Hohe Liebe 17 - ZaunköniG - 11.08.2024 17. Besänftigt ist das stürmische Gelüste Das sonst auf hoher See dahingeflogen, Das oft mein schwankes Boot hinabgezogen An der Sirene felsenharte Brüste. Ich wäre thöricht, wenn nicht längst ich wüßte, Wie ich geplündert ward und wie betrogen, Und wenn mich nicht hinweg aus Wind und Wogen Verlangte sehnlichst nach der grünen Küste. Soll nun das Schicksal mich so höhnisch strafen Und für der Irrfahrt wüste Abenteuer Mich scheitern lassen, nah dem schönen Hafen? Nein, lisch nicht aus, du letztes Rettungsfeuer, Geliebtes Auge, leuchte deinem Sklaven, Geliebte Hand, sei meines Wrackes Steuer! RE: Hohe Liebe 18 - ZaunköniG - 13.08.2024 18. Sie wollen gleich dem aufgejagten Wilde Mich durch die finstren Zeitungsspalten hetzen, Mich fangen in Verleumdergarn und Netzen, Die Meister unsrer schwarzen Schützengilde. Doch soll in mein umhägtes Lustgefilde Ihr roher Fuß sich nun und nimmer setzen, Und wenn sie fern die stumpfen Waffen wetzen, So deck' ich mich mit einem guten Schilde. Dein Bild und die Gewißheit, dich zu lieben, Ein Hochgefühl, das mir kein Feind erniedert, Das ist mein Schild, aus lautrem Gold getrieben. Dran müssen, die gemeiner Haß befiedert, Die Pfeile all' zersplittern und zerstieben, Von eines Lieds metallnem Klang erwidert. RE: Hohe Liebe 19 - ZaunköniG - 15.08.2024 19. Erstünde aus dem Grab gewes'ner Tage Die erste Jugend mir noch einmal wieder, So flösse reicher wohl der Born der Lieder, Melodischer erklänge meine Klage. Dasselbe Liebesleid, das ich jetzt trage, - Es schlägt die Kraft mir unwillkürlich nieder, - Trug mich einst auf elastischem Gefieder, So hoch, wie heute nimmer ich mich wage. Nicht daß die Locken vor der Zeit zu bleichen, Die Pulse träger schon zu gehn beginnen, Ist meines Alterns mir ein bitter Zeichen. Viel tiefer fühl' ich seine Macht nach innen, Sein Liebesschmerz erstarrt, statt zu erweichen, Seit spärlicher durch ihn die Reime rinnen. RE: Hohe Liebe 20 - ZaunköniG - 17.08.2024 20. Was frommte mir es, wenn es nun gelänge, Den neuen Strom in's alte Bett zu zwingen Und stilles Ebenmaß zurückzubringen In meiner Liebe wogendes Gedränge? Nein, fluthet nur, ihr zärtlichen Gesänge, Und mögt ihr alles Land umher verschlingen, Indeß ich auf des Wohllauts weichen Schwingen Mich wiege über dem Gefäll der Klänge. Zu früh nur wird die holde Quelle stocken, Und wann die Ueberschwemmungen verliefen, Liegt bald die Scholle wieder hart und trocken. Doch prangen dann auf den getränkten Tiefen, Des Auges Freude, tausend Blumenglocken, Die ungeahnt im dunklen Boden schliefen. RE: Hohe Liebe 21 - ZaunköniG - 25.08.2024 21. Die Luft ist lind, der Wind ist lau geworden, Sie fächeln wie dein Athem mir die Wangen; Wie deine himmelblauen Augen prangen Die Himmel, blau gen Süden und gen Norden. Und wie die Welle von des Weihers Borden, Wo sie vom Eis verzaubert festgehangen, So reißt das Lied aus schweigendem Befangen Sich los und schwingt in ungedämpften Korden. Mißgönnst du, meine hohe, ferne Rose, Dem frühesten der Frühlingsschmetterlinge Sein keckes Spiel, sein flatterndes Gekose? Ach, bis zu dir trägt niemals seine Schwinge, Und bald verstrickt an seinem Fuß das lose, Vergeßne Fädlein sich zur alten Schlinge! RE: Hohe Liebe 22 - ZaunköniG - 27.08.2024 22. Ich fühle wohl, daß ich mit jedem Liede, Womit ich dein geliebtes Bildniß schmücke, Den Pfeil mir tiefer in die Wunde drücke, Und fester meine süße Fessel schmiede. Doch wenn ich nun verzweifelt mich entschiede Und bräche Pfeil und Fessel rasch in Stücke, So wär' die Freiheit weder mir zum Glücke, Noch blühte mir aus jähem Tod der Friede. Zwar reißt der Tod voll trotziger Verachtung Den Pfeil aus seiner Brust und sieht in Fluthen Das Leben fliehn mit stolzer Selbstbetrachtung. Doch schöner will's den Liebenden gemuthen, In duldender und zärtlicher Verschmachtung Langsam und tropfenweise zu verbluten. |