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Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05 Der Künstler - Druckversion

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Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05 Der Künstler - ZaunköniG - 11.02.2024

Der Künstler

Doppelschicksal


Wie kommt es, daß der Künstler, das Genie
Oft Ekel fühlt, Qual, Überdruß am Leben,
Der auf der Wonnen höchsten Höhn zu schweben
Doch sonst vermag, wie ein Gering’rer nie.

Ich deut’ es so: gewalt’ger Phantasie
Kann Großes Inhalt nur und Nahrung geben,
Und wo dies fehlt, dort bleibt sie elend eben,
Leer, ungestillt, öd, nicht sie selbst ist sie.

Den Kleinen füllt die nichtig kleinste Weile
Schon völlig aus, und nirgends fehlts dem Laffen,
Wo dem Genie nur leere Räume klaffen.

Dem Künstler taugt die große nur zum Heile;
In ihrem Äther schwillt er an zum Gotte,
Doch in der kleinen schrumpft er ein zur Motte.


.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/02 - ZaunköniG - 16.06.2024

Liebesphasen

Als ich ein Kind noch war mit runden Wangen,
Da liebt’ ich jeglich Schönes um mich her,
Ein jedes schöne Bild ward mein Begehr,
Ein jedes Blümchen, das ich konnt’ erlangen.

Doch in des Knabenalters reif’rem Prangen
Genügte Einzelschönes mir nicht mehr,
Und ich erheckt’ ein Mädchen rein und hehr,
Das alle Schönheit hielt’ vereint umfangen.

Dem Jüngling ist der Künstlertraum zerscheitert,
Als Luftgebild erkannt’ ich jene Schöne,
Mein Lieben hat zur Dichtung sich erweitert.

Die Welt der Griechen ist mir aufgegangen,
Und wieder liebt’ ich Blumen, Bilder, Töne,
Jedwede Schönheit haltend liebumfangen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/03 - ZaunköniG - 08.07.2024

Im Frühlingsgarten

Ich weiß mir nicht erhab’neres Entzücken,
Als wenn die Bäume rings in blüte stehn,
Im Frühlingsgarten auf und ab zu gehn
Und schöne Menschenkinder anzublicken.

Unmöglich ist’s, mit Worten auszudrücken,
was mich ergreift bei also reinem Sehn,
Und nur der Künstler kann mich ganz verstehn,
Der selbst empfindet solches Weltentrücken.

In solchen Stunden hehrster Herzenslust
Erkenn’ ich ganz dem Erdstaub mich entronnen,
Bin ich der höhern Heimat mir bewußt.

In Rauschmomenten solcher Geisteswonnen
Fühl’ ich den Dichter tief in meiner Brust,
Und hätt’ ich nie den kleinsten Vers ersonnen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/04 - ZaunköniG - 22.09.2024

Des Künstlers Treue

Dem Liebe Schönheit ist und Schönheit Liebe,
Vom Künstler nicht erwarte du die Treue;
Ihn lockt die Liebe fort und fort aufs neue,
Wie Schönheit sproßt aus stets erneutem Triebe.

Gib auf die Hoffnung, daß er dein stets bliebe,
Daß seine Lieb’ nur einzig dich erfreue;
Denn du erkennst am Ende sonst mit Reue,
Daß hehrste Lieb’ am schnellsten oft zerstiebe.

Ganz anders ist die Treu’, die er empfindet,
Sie gilt der Schönheit ew’ger Strahlenhelle,
Wann und wo immer er sie haftend findet.

Er liebt die Sonne bloß, des Lichtes Quelle,
Sie selbst, ihr Lichtstrahl ist es, was ihn bindet,
Doch nicht die wechselnd lichtbeglänzte Stelle.


.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/05 - ZaunköniG - 23.11.2024

Letzter Wille

In Blumen prang’ ein lichter Leichenwagen,
Den holde Mädchen rechts und links begleiten,
Und schöne Knaben mögen rückwärts schreiten,
Weinlaub im Haar und Festgewänder tragen.

Nicht eine Lippe tu’ sich auf zum Klagen,
Nein, Jubelhymnen sollt ihr mir bereiten,
Und triumphierend hall’s in alle Weiten:
Ihm galt der Tod kein letztes Ich-Entsagen!

Das ist die Weise, die ich ausbedungen,
Wie ihr dereinst mich sollt zu Grabe tragen,
Wann meiner Leier Hochgesang verklungen:

Wofern es dann der Kirche sollt’ behagen,
Mir, weil ich Licht und Liebe stets gesungen,
Ein christliches Begräbnis zu versagen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/06 - ZaunköniG - 13.12.2024

Die höchste Kunst

Die Dichtkunst heiß’ ich von den Künsten allen
Die weit umfassendste und sonder Schranken,
Denn unermeßlich ist sie, gleich Gedanken,
Sie kann den fernsten treulich widerhallen.

Als dauerndster auch soll ihr Lob erschallen,
Der wir des Geistes ält’ste Schätze danken,
Die, wenn die Sänger längst im Staub versanken,
jahrtausendlang noch leben unzerfallen.

Allein die höchste ist die Kunst der Töne,
Denn nie und nimmer kann die Sprache sagen,
Was jene offenbart von ew’ger Schöne.

In Sphären, hin mich Wagner oft enttragen,
Trägt mich kein Shakespeare, wie ihn Ruhm auch kröne,
Ja selbst die Trias nicht aus Hellas Tagen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/07 - ZaunköniG - 21.12.2024

Mein Höchstes

Ich sag’ es stets: Das wunderhehrst Genießen
Erfließt mir aus der heil’gen Macht der Töne;
Doch dann vermag der Reiz der Menschensöhne
Das Paradies zunächst mir aufzuschließen.

Doch was zu aller höchst mir kann entsprießen,
Daß jed’ und alles Glück der Welt mir’s kröne,
ist, wenn Musik und Rausch vor Menschenschöne
Mit eins in einen Hochakkord verfließen.

Mein Blick war nie von Schönheit so geblendet,
Mein Ohr noch nie so im Genuß verschwendet,
Mein Wesen nie so hehr in sich vollendet:

Als wenn ich bei dem Engelsklang der Laute
Im Frühlingsgarten, wann der Himmel blaute,
In ein verklärtes Menschenantlitz schaute


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/08 - ZaunköniG - 27.12.2024

Das Höchste zwischen Grab und Wiege

ich konnt’ mich nie zu jenen Dichtern neigen,
Die stets in Leid nur sich ergehn und Klagen,
Die an der Welt, an Gott, an sich verzagen
Und deren höchstes Ziel: das letzte Schweigen.

Sie gleichen Priestern, die auf Kanzeln steigen,
Dem Volke Gottesleugnung vorzutragen,
Heerführern, die, statt selbst hervorzuragen
Durch Tapferkeit, sich weich und weibisch zeigen.

Wer lehrt uns, wenn nicht Priester, Gottvertrauen?
Wer, wenn die Führer nicht, den Mut im Kriege?
Wer, wenn nicht Dichter, Ideale bauen?

Und die all einzig führ’n allhier zum Ziele!
mit Künstlerblick ins Weltenmärchen schauen:
Das Letzt’ und Höchste zwischen Grab und Wiege!


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/09 - ZaunköniG - 27.02.2025

Ewige Kindheit

Was gibt den Kindern jenes heitre Wesen,
Das „Ja!“ nur jauchzt und frei ist von Verneinung?
Was von Genie und Einfalt diese Einung,
Dran jede böse Regung muß genesen?

Es ist die Neuheit jeder Seinserscheinung,
Die Schritt für Schritt im Lebensbuch sie sesen;
Für sie ist alles neu, ist nie gewesen
Und regt als neu sie an – nach ihrer Meinung.

Drum, willst du trotzen jedes Alters Launen,
Laß jene Lehre dir zur Richtschnur taugen,
Die unbewußt dir Kindesblicke raunen:

Nur wer mit großen off’nen Kindesaugen
Ins hehre Weltgedicht versteht zu staunen,
Wird neues Glück aus jeder Strophe saugen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/10 - ZaunköniG - 09.06.2025

Glaube im Zweifel

ich glaub’ nicht immer die Unsterblichkeit,
Bin stets und bleibend nicht von ihr durchdrungen,
Oft hab’ ich selbst das Lied mir vorgesungen,
Das sonst mir fremde, von Vergänglichkeit.

Doch stets in Lust, Verzückung, Seligkeit
Hab’ ich zu ihren Höhn mich aufgeschwungen,
In Feierstunden hielt ich stets umschlungen
In meinem Glück ein Stück der Ewigkeit.

Zwei Stimmen also. Welcher schenk’ ich Glauben?
Lass’ die des hehrsten Aufschwungs sich ersticken
In Werktags Mißgetön’, dem kalten, tauben?

Nein! Was die Götter in Ekstase schicken,
Kann kein Jahrzehnt in Nüchternheit uns rauben,
Und Wahrheit spricht aus höchsten Augenblicken.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/11 - ZaunköniG - 07.07.2025

Höhen des Menschenwesens

Habt ihr in Lebens, Menschheits Buch gelesen,
Sagt an, worin der beiden Göttlichkeit?
Wo trefen Zeit sich und Unendlichkeit?
Wo wunken höchste Höhn dem Menschenwesen?

Ist es zum innern Frieden das Genesen?
Ist’s jahrlang währende Zufriedenheit?
Sinds Werke, überliefert fernster Zeit?
Der Ähen Summ’, im Leben aufgelesen?

Nein! In Ekstasen, Räuschen, dionysisch,
Genies erfliegbar, ewig fremd Philistern,
Seh’ ich der Menschheit Edens Früchte reifen.

Das ist vielleicht der Pol, wo metaphysisch
Zwei Daseinsweisen freundlich sich verschwistern,
Geheimnishehr zwei Welten übergreifen.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/12 - ZaunköniG - 15.07.2025

Was uns fehlt

Uns fehlt nicht geist, auch ernstes Streben nicht,
Noch Mut, noch guter Wille, uns Modernen;
Vom Klein und Großen, Nahen gleichwie Fernen
Lernt ja das Baby heut’, sobald’s nur spricht.

Was andres, Größ’res ist’s, woran’s gebricht;
Uns fehlt der große Aufblick zu den Sternen!
Wir lernen, lernen nur, und was wir lernen,
Zuletzt statt Flügelschlags ist’s Bleigewicht.

Wir sind nicht wir, wir sind nur, was wir wissen,
Nicht was wir fühlen, was wir tiefst erleben;
Sind von uns selbst, vom Leben losgerissen.

Uns fehlt Entrücktheit in das Weltenweben!
Fehlt jener Stand, der all die Weisheit missen
Und doch der Welt kann einen Christus geben.


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/13 - ZaunköniG - 27.07.2025

Erklärung
An Dr. B. Fuchs

„Aus dir spricht heute noch das große Kind;
Vom Leben lern’, ein Mann, ein ganzer, werde!“
So riefst du mir mit freundlicher Gebärde,
In Rat und Tat als Freund mir wohlgesinnt.

Wohl, du hast recht! Im Weltlauf nur gewinnt,
Wer festen Fußes stampft die harte Erde,
Doch Kummer trifft und Drangsal und Beschwerde
Das große Kind, das nur die Blumen minnt.

Und dennoch fleh’ ich, in dess’ Unterschreiben,
Mich blutig fort am rauhen Alltag schürfend:
O laß dein Kind, Natur, mich ewig bleiben!

Laß mich, der Männerreife nie bedürfend,
Am Schoß dir sitzen, fern des Tages Treiben,
Nur deine Mär’ mit trunkner Seele schlürfend!


RE: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 05/14 - ZaunköniG - 26.08.2025

Nur Meister sein!

Nicht schelt ich mehr mein Los, das nicht ins Leben,
Wie einst Petrarka, Goethen oder Dante,
Mir Laura, Gretchen, Beatrice sandte,
Mich zu begeistern, mich zum Ruhm zu heben.

Ich weiß: den Grund zu ew’gen Liedern geben
Konnt’ keins der holden Trias, die ich nannte;
Das Feuer tat’s, das in den Dichtern brannte,
Doch jene waren – nichts als Frauen eben.

Und Gretchen machte Goethen nicht unsterblich,
Er sie, und Laura der Sonette Meister;
Ein solches Los ist jeder hier erwerblich.

Nur Meister sein! Da liegt’s vor allen Dingen!
Du kannst, gehst selbst du unter jene Geister,
Ein jedes Weib zur Beatrice singen.