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Des Glaubens und des Wissens Streit und Versöhnung (8) - ZaunköniG - 02.01.2024 Des Glaubens und des Wissens Streit und Versöhnung I. Das Göttliche dir mag sich offenbaren Im Glauben nur; doch gegen ihn empören Verderbten Herzens Triebe sich und stören Stets neue Zweifel auf am ewig Wahren. Drum wohl dem Geiste, der mit sich im Klaren! Den Fürwitz lasse nimmer dich bethören, Eil’ allem Denken lieber abzuschwören: Vom Denken droh’n dir tödtliche Gefahren. Betrachte die Geschichte: welches Schwanken Beherrscht, seit er dem Glauben sich entrungen, Des Geistes sinnvoll bildende Gedanken! Kein dauerndes System noch ist gelungen: Es ist des Todes Keim woran sie kranken: Der Zweifel hat das stärkste selbst bezwungen II. Das Denken ist des Glaubens Unterlage, Der ohne jenes muß in Lüften schweben Des Aberglaubens Mächten preisgegeben Stumm und unwissend auf des Gegners Frage. Des Denkens drum nicht feige dich entschlage: Im Denken webt des Geistes tiefstes Leben, Der ew’gen Wahrheit ohne Widerstreben Dein Anerkennen denkend nicht versage! Frommherz’ger Glaube frommt allein dem Kinde Und Völkern, die gleich Kindern unvernünftig; Der Menschengeist jedoch, zum lichten Denken Einmal erwacht, abschüttelt rasch die Binde, Um selbst zu seh’n und keinem Meister zünftig Den Fortschritt in der Wahrheit selbst zu lenken. III. Die ew’ge Wahrheit, rein vom Herrn verkündet, Wird frei erfaßt in demuthvollem Glauben. Gewißheit hier nicht geben kann noch rauben Das Denken, dem, in sich allein gegründet, Der Sünde Lohn, der Irrtum ist verbündet. Urechten Text setzt stets auf neue Schrauben Der Zweifel, der sich Alles wird erlauben, Sobald die Leidenschaft ihn wild entzündet. Nein, nimmer führt, mag fort und fort sie klauben, Die Zweifelei allein zur ew’gen Wahrheit, Wenn sie zuvor nicht schon in lichter Klarheit Und freier Liebe ward erfaßt vom Glauben. Der Wahrheit dienen, ihren Feind vernichten: Sieh da des Zweifels eigentliche Pflichten! IV. Der Zweifel, grundverkehrtem Herzen eigen, Glüht jegliche Gewißheit zu verschlingen; das Erste will er sein in allen Dingen, Vor ihm soll sich die ew’ge Wahrheit neigen. Des Zweifels Mund zu bringen je zum Schweigen Und durch Beweises Kraft ihm aufzuzwingen Wahrheiten, die das Denken übersteigen, Mit Nichten dem Verstande wird’s gelingen. Drum eine freie That, Verdienst begründend Und eine Tugend ist mit Recht der Glaube, Das wahre Wissen liebevoll entzündend. Der Zweifel aber auf dem Schlangenpfade Wird, nimmer satt, sich selbst zuletzt zum Raube, Wenn heilend nicht ihn trifft ein Strahl der Gnade. V. Der Glaube ist die größte aller Gnaden. Hat sich von ihm das denken losgerissen, Dahin wankt es auf schwach erhellten Pfaden, Versinkt zuletzt in eignen Finsternissen. Hinwieder leiden wird der Glaube Schaden, Will er sich feig’ entzieh’n dem ächten Wissen; In des Gedankens reinem Aether baden Selbst möcht’ er sich und Klarheit nimmer missen. Drum strebe, Christ, von Glaubenskraft gehalten, Die Widersprüche, die dich schmerzlich binden, Die Zweifel, die dein reines Bild entfalten, Durch ächtes Wissen stark, zu überwinden, Und nach der Kräfte freudigem Entfalten In höhrer Einheit wieder dich zu finden! VI. Sich an den Baum, tiefwurzelnd in den Grüften Der Mutter Erde, mag ihn Sturm umschnauben, Aufstrebt zum Himmel er mit schlanken Hüften, Indes die Äste fröhlich sich umlauben. Gern labt er dich im Lenz mit Blüthendüften Und läßt sich gern die goldnen Früchte rauben; Im Grunde wurzelst, hoch in den Lüften, Steht er ein Bild von Wissen und von Glauben. Im Glauben an das Wort, das gab die Kunde: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, entsprießt, wächst und gedeiht das wahre Wissen. Je tiefer jener Wurzel schlägt im Grunde, Je freudiger mag dieses sich erheben, Und nie wirst du die Frucht, den Frieden, missen. VII. dem Glauben einst unkindlich war entsprungen, Nach Wanderungen lüstern längst, das Wissen. Den raschen Jungling lockt kein Ruhekissen, Bis ihm das Höchste wär als Mann gelungen, Bis denkend es den Dingen abgerungen Die ewigen Gesetze, bis zerrissen der heil’ge Schleier nichts mehr ließe missen, Und ihm gehörten alle Huldigungen Doch kommen wird der Tag, da in der Fülle Arm sich es fühlet, weil um Eins betrogen: Nichts findend Ihn, der webt der Dinge Hülle Dreieinig in abgründigem Erbarmen. Von Sehnsucht drum und Reue heimgezogen, Verklärt wird es durch Lieb’ in Glaubensarmen. VIII. Wenn mit dem Glauben einst versöhnt das Wissen Sich eint nach langem unheilvollen Streiten, Wenn beide frei zum Liebesbunde schreiten Des Einen höchsten Zieles gleich beflissen; Wenn nach verscheuchtem Sturm und Finsternissen der Wahrheit Sonne leuchtet schönern Zeiten: Dann werden ihrer Größe Herrlichkeiten Auch Kunst und Wissenschaft nicht länger missen. In reinem Licht dann klärt sich das Erkennen, Erhellte Geistesblicke schärfer lesen Im Bild des Urbild, in der Form das Wesen; Der Stoff gehorcht dem siegenden Gedanken, Raum dann und Zeit ihm fällen ihre Schranken, Besiegt wird gern sich die Natur bekennen. . |