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Sonette aus dem Orient ( von 1864 ) Unter dem Halbmond (12) - ZaunköniG - 31.08.2023 Sonette aus dem Orient ( von 1864 ) Unter dem Halbmond Der Muezzin Vom Minareth zu drei verschied’nen Malen Erschallt der ernste Mahnruf zum Gebet’: Wenn’s rosig angehaucht vom Morgen steht, Und golden sich die grauen Wogen malen; Wenn Mittags weiße Bronnen Kühlung strahlen, Zum Kief* die Sclavin mit dem Fächer weht; Wenn scheidend noch der Tag durch’s Gitter späht Nach Frauen, schleierlos, mit Goldsandalen. Es tritt, auf hoher Warte sich zu zeigen, Schneeweiß der Rufer aus der schmalen Pforte; Vier Winden überläßt er seine Worte. Doch träge schwillt der heil’ge Ruf an’s Ohr, Von dem sich manche Sylbe ganz verlor – Denn alles Leben hier ist Traum und Schweigen. *=Siesta Auf dem Bazar Den krummen Säbel schwangen die Kalifen, Den Kopf vom Rumpfe schnitt der Yatagan, Im Handgemenge stieß der Muselmann Den grimmen Handschar in der Weiche Tiefen. Die Heldengeister, die zu Schlachten riefen, Entschliefen in den Klingen; dann und wann Nur klingt in ihnen Nachts die Sehnsucht an, Wie einst von rothem Feindesblut’ zu triefen. Nun strotzt der Griff von lichten Edelsteinen, Von rothem, weichem Sammet sind die Scheiden, Und kraftlos sind des Stahles Koransprüche. Vertauscht um Spielzeug all’ die Waffen scheinen; Schön mag ihr Glanz den Turbanträger kleiden, Längst ging jedoch des Islam Kraft in Brüche. An die Thaler der Levanthe Ich möchte mir ein Riesenschiff erbauen, Das windesschnell und Stand den Stürmen hielt’; Es müßt’ ein Tausendguldennoten-Bild Auf roth- und weißer Flagge sein zu schauen. Könnt’ ich auf Gnomenhülf’ und Zauber trauen, Ich träte vor mit blankem Silberschild’ Und riefe silberhell, verlockend mild: „O kommt auf’s Schiff, zu grünen Heimatauen: Vom Hals des Beduinenweibs, aus Schränken Und Säcken, von der Wechsler offnen Bänken, Vom Kopfe gar der Nazarenerin! Wie lang wird euer Klang daheim entbehrt! Daheim nur kennt man eu’ren ganzen Werth Und kennt das Bild der großen Kaiserin“. Unter den Cypressen Cypressen, schlanke, dunkle Pyramiden! Am lichtverklärten, meerumsäumten Bilde Die einz’gen Schattenstriche! Thauet milde Auf’s Haupt mir Schattenkühle, Sammlung, Frieden. Zu viel des Zaubers ist dem Aug’ beschieden! Wie glänzt das Meer! Wie lachen die Gefilde! Cypressen, unter eu’rem grünen Schilde Noch glüht die Stirn’ und alle Pulse sieden. O laßt mich ruh’n in eu’rem Heiligthume! Und hab’ ich mir ein Grab* zum Sitz erwählt, Mein Sinnen stört die Grabesruhe nicht; - Nicht jenes Weib, die weiße Haremsblume, Die fest den Marmorstein umschlungen hält Und durch den Schleier das Fatiha spricht. *Die türkischen Friedhöfe sind häufig Cypressenhaine Moschee Am Brunnen mußt’ ich meine Schuhe lassen, Auf Socken trat ich in das Heiligthum; Die Kuppelhalle, leer und öd’ und stumm, Es drängte mich, sie baldigst zu verlassen. Kein Opferherd! Kein Bild! Nur ringsherum Verkünden von der Wand, von farbenblassen Tapeten Koransprüche, schwer zu fassen, Allah’s und des Propheten Wort und Ruhm. Doch sieh’! Ein Greis mit heiliger Geberde, Er beugt und hebt sich, wirft sich auf die Erde, Von meinem Kommen unbeirrt und Schauen. – Und mehr als Bilder oft und Glockenschall, Als Rauch, Musik und als die Lichter all’ Vermochte hier der Greis mich zu erbauen. Ein Selam O sieh’ an meiner Brust die Rose prangen, So roth, wie keine noch gebrochen worden! Du bist des Herzens Sultanin geworden, Ein Sclav’, erwartet es sein Loos mit Bangen. Kein Widerschein auf deinen zarten Wangen? Narcissen sieh’, den andern Blumenorden! Umschließt dein junges Herz noch eis’ger Norden, Sie duften Glut nur, heimliches Verlangen. Am Schleier rück’ und traue den Cyanen: Es weicht nur dir des Herzens goldne Pforte, Mein Mund verschwendet Küsse, sparet Worte. Kein Pfand? – Vernimm des Epheuzweiges Mahnen: Wenn einst dein Herz erglüht und suchet meines – Es ruht im Schatten des Cypressenhaines. Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen; wohl atmen Plätscherbrunnen Abendkühle, doch Flüsterbüsche hauchen Weihrauchschwüle, und aus dem Düster warme Augen schauen. Wie magst du, Padischah, dem Zwinger trauen? Dort lugt der Mond herab vom Wolkenpfühle und zieht heran die zärtlichsten Gefühle; dem Zephyr weicht der Schleier gar, dem schlauen. Es bebt der Myrten reine, weiße Blüte; es quillt ein tiefes Weh aus Bülbüls Sang. Wie wird euch, schöne Frauen, zu Gemüte? Schwand alle Sehnsucht nach der Heimat hin, wo frei und heilig ist der Liebe Drang? O Griechenmädchen! O Circassierin! Der Moslem ruht im kühlen Prunkgelasse Der Moslem ruht im kühlen Prunkgelasse, Das Indiens Wohlgerüche süß durchwallen; Es läßt die Hand die Sandelperlen fallen – Zuleika naht mit heller Moccatasse. Und Leila reicht, die schlanke lilienblasse, Den Tschibuk, goldgeschmückt und mit Korallen; Häidie tanzt mit Peri’s Reizen allen, Und feurig singt das Mädchen vom Parnasse: O sinnt den Mädchen nach voll Ambraduft, In tausend Einer Nacht erzählt, ersonnen! Der Schleier wehrt, von Elfenhand gesponnen, Dem Bild der Wirklichkeit, der Grabesluft. Was farbentrunken malt die Phantasie, Das schaut ihr hinter Haremsmauern – nie. Auftrag an das Wandervöglein O Vöglein, Bürger beider Hemisphären! Dir prangt der Frühling hier, der Frühling dort, Und hier und dort ein Nestlein ist dein Port, Das Meer, so du durchsegelst, ist ätheren. Schon sind hier eingeheimst die goldnen Aehren, Versiegt der Bronnen, Busch und Baum verdorrt; Es zieht dich nach dem grünen Norden fort, Wo Blatt und Duft und Blüte wiederkehren. Viel Glück! – Und sag’ der Liebsten meiner Lieben Und richt’ es aus nach seiner Boten Brauche: Daß ich im Herzen bin mir gleich geblieben; Doch daß an Lipp’ und Kinn der Bart mir sproß, Daß ich den Turban trage, Tschibuks rauche Und daß ich reit’ ein klug arabisch Roß. Mittagsrast Uns bot ein Feigenbaum sein Schattendach; Wir hielten Mahl und Mittagsrast darunter, Denn eine Quelle rauschte kühl und munter Und krümmte glänzend sich zu Tal gemach. Wir lockten alle Männer nach und nach Vom Pfluggespann zu uns; ein Hemd hinunter Bis an das Knie, ein Gurt, ein Fez mit bunter Umwindung dem, was Kleidung heißt, entsprach. Aus ihren Mienen lachte Neubegier; Als Kenner griffen sie nach uns’ren Waffen Und machten viel mit ihnen sich zu schaffen. Für Wunder hielten sie die Uhren schier; Und gar das Picken! – Aus dem Reisesack Verteilten Pulver wir und Rauchtabak. Einkehr Auf nassen Betten unter nassen Zelten Durchfiebert hatten wir die dritte Nacht; Auf trock’ne Herberg waren wir bedacht Am vierten Tag für reichliches Entgelten. Ein Scheikh nahm uns zu Gast und bald erhellten Die dunkle Wohnung Flammen; Reisig bracht’ Uns selbst der Wirth und nahm die Gluth in Acht, Und braune Männer sich zu uns gesellten. Der Hausrath all’ war uns gestellt zur Hand, Geflöcht’ne Körbe, Krüge, dürre Frucht, Uns gut zu pflegen blieb nichts unversucht. Und als der Scheikh uns ruhbedürftig fand, Drückt er uns männlich noch die Hände, geht Und nimmt mit sich die Matte zum Gebet. Gruß an die Heimat Von Wolken ist bedeckt der Himmelsplan, Nur gleich Oasen blaue Felder prangen, Von Wolkensäumen silberhell umfangen; Aus Norden stürmt die mächt’ge Windsbraut an: - Sieh’, Funken flieh’n, und wieder andre nahn... Wie rasch durch’s tiefe Ätherblau sie drangen! Was ist in Himmelssphären vorgegangen? bricht sich ein goldner Regen nordwärts Bahn? Nicht Schnuppen sind’s, die also zahlreich fallen, Denn siehe, ganze Sternenbilder wallen Dem Norden zu, der fernen Heimat zu. Wie schnell ihr wandert, sonnenferne Lichter! O grüße vom noch ungenannten Dichter Die Heimat hellster aller Sterne, du! . Sonette aus dem Orient ( von 1873 ) Unter dem Halbmond (9) - ZaunköniG - 21.09.2023 Der Muezzin Vom Minaret der Moslem-Kathedralen Erschallt der ernste Mahnruf zum Gebet’: Wenn’s rosig angehaucht vom Morgen steht, Und golden sich die grauen Wogen malen; Wenn Mittags weiße Bronnen Kühlung strahlen, Und mit dem Fächer die Khaduna weht, Wenn scheidend noch der Tag durch’s Gitter späht Nach Frauen, schleierlos, mit Goldsandalen. Schneeweiß, auf hoher Warte sich zu zeigen, Erscheint der Rufer aus der dunklen Pforte Und überläßt den Winden seine Worte. Doch träge schwillt der heilge Spruch an’s Ohr, Undbald ist Alles ruhig wie zuvor, Denn alles Leben hier ist Traum und Schweigen. Auf dem Bazar Den krummen Säbel schwangen die Kalifen, Den Kopf vom Rumpfe schnitt der Yatagan, Im Handgemenge stieß der Muselmann Den grimmen Handschar in der Weiche Tiefen. Vorbei! Die Geister, die zu Schlachten riefen, Verstummten in den Klingen; dann und wann Nur klingt in ihnen Nachts die Sehnsucht an, Wie einst von rothem Feindesblut’ zu triefen. Wohl strotzt der Griff von lichten Edelsteinen, Von rothem, weichem Sammet sind die Scheiden, Doch kraftlos sind des Stahles Koransprüche. In Tand verwandelt Wehr und Waffen scheinen, Schön mag ihr Glanz den Turbanträger kleiden, Längst ging jedoch des Islam Kraft in Brüche. Unter den Cypressen Cypressen, schlanke, dunkle Pyramiden! Auf lichtgetränktem, blaubesäumtem Bilde Beherzte Schattenstriche! thauet milde Auf’s Haupt mir Schattenkühle, Sammlung, Frieden. Zu viel des Zaubers ist dem Blick beschieden, Wie glänzt das Meer! Wie lachen die Gefilde! Cypressen, unter eu’rem grünen Schilde Noch glüht die Stirn’ und alle Pulse sieden. O gönnt mir Rast in eurem Heiligthume, Und hab’ ich mir ein Grab* zum Sitz erwählt, Mein Sinnen stört die Grabesruhe nicht; - Auch nicht das Weib, die weiße Haremsblume, Das dort den Marmorstein umschlungen hält Und durch den Schleier das Fatiha spricht. In der Moschee Am Brunnen mußt’ ich meine Schuhe lassen, Auf Socken trat ich in das Heiligthum; Die Kuppelhalle, leer und öd’ und stumm, Es drängte mich, sie baldigst zu verlassen. Kein Opferherd! Kein Bildniß ringsherum! Nur Koransprüche, bunt noch im Verblassen, Mäanderhaft verschlungen, schwer zu fassen, Verkünden des Propheten Wort und Ruhm. Doch sieh’! Ein Greis mit heiliger Geberde Verbeugt und hebt sich, wirft sich auf die erde, Von meinem Kommen unbeirrt und Schauen. – Und mehr als Bilderkram und Glockenschall, Als Rauch, Musik und als die Lichter all’ Vermochte dieser Greis mich zu erbauen. Ein Selam O sieh’ an meiner Brust die Rose prangen, So roth, wie keine noch gebrochen worden! Du bist des Herzens Sultanin geworden, Ein Sclav’, erwartet es sein Loos mit Bangen. Kein Widerschein auf deinen zarten Wangen? Narcissen sieh’, den andern Blumenorden! Umschließt dein junges Herz noch eis’ger Norden, Sie künden: Glut und heimliches Verlangen. Am Schleier rück’ und traue den Cyanen: Es weicht nur dir des Herzens goldne Pforte, Ein Kußverschwender, geiz ich mit dem Worte. Kein Pfand! Vernimm des Epheuzweiges Mahnen: Erglüht dereinst dein Herz und sucht es meines – Es ruht im Schatten des Cypressenhaines. Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen; wohl atmen Plätscherbrunnen Abendkühle, doch Flüsterbüsche hauchen Weihrauchschwüle, und aus dem Düster warme Augen schauen. Wie magst du, Padischah, dem Zwinger trauen? Dort lugt der Mond herab vom Wolkenpfühle und zieht hinan die zartesten Gefühle, dem Zephyr weicht der Schleier gar, dem schlauen. Es bebt der Myrten reine, weiße Blüte; Es quillt ein tiefes Weh aus Bülbüls Sang, Wie wird euch, schöne Frauen, zu Gemüte? Schwand alle Sehnsucht nach der Heimat hin, wo frei und heilig ist der Liebe Drang? O Griechenmädchen! O Circassierin! Dichtung und Wahrheit Der Moslem ruht im kühlen Prunkgelasse, Das süße Wohlgerüche leis durchwallen; Die Sandelperlen sind der Hand entfallen Denn Leila naht mit heller Mokkatasse. Den Tschibuk reicht die schlanke, lilienblasse Zuleika dar, im Schmucke von Korallen, Häidie tanzt mit Peri’s Reizen allen, Und feurig singt das Mädchen vom Parnasse: Das Buch, für tausend Eine Nacht ersonnen, Das Zaubernetz, von Elfenhand gesponnen, Wen hätt’ es nicht bestrickt, wen nicht berauscht. Doch welcher Franke ließ sich’s dreist gelüsten, Darf ungestraft und unenttäuscht sich brüsten, Das er des Harems Innerstes belauscht? Mein Bote O Vöglein, Bürger beider Hemisphären! Dir prangt der Frühling hier, der Frühling dort, Und hier und dort ein Nestlein ist dein Port, Das Meer, so du durchsegelst, ist ätheren. Schon sind hier eingeheimst die goldnen Aehren, Versiegt der Bronnen, Busch und Baum verdorrt; Dann mahnts dich nach dem grünen Norden fort, Wo Blatt und Duft und Blüte wiederkehren. Viel Glück! – Und sag’ der Liebsten meiner Lieben Und richt’ es aus nach seiner Boten Brauche: Daß ich im Herzen bin mir gleich geblieben; Doch daß an Lipp’ und Kinn der Bart mir sproß, Daß ich den Turban trage, Tschibuks rauche Und daß ich reit’ ein klug arabisch Roß. Eine Mittagsrast Uns bot ein Feigenbaum sein Schattendach; Wir hielten Mahl und Mittagsrast darunter, Denn eine Quelle rauschte kühl und munter Und krümmte glänzend sich zu Tal gemach. Wir lockten viele Männer nach und nach Vom Pfluggespann zu uns; ein Hemd hinunter Bis an das Knie, ein Gurt, ein Fez mit bunter Stirnbinde dem, was Kleidung heißt, entsprach. Aus ihren Mienen lachte Neubegier; Als Kenner griffen sie nach uns’ren Waffen Und machten viel mit ihnen sich zu schaffen. Für Wunder hielten sie die Uhren schier; Und gar das Ticken! – Aus dem Reisesack Verteilten Pulver wir und Rauchtabak. . |