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Eichendorff, Joseph: 1848 (1 - 6) - ZaunköniG - 23.08.2021 Joseph Eichendorff 1788 – 1857 1848 I Die Altliberalen Die wilden Wasser, sagt man, hat entbunden ein Lehrling einst, vorwitzig und vermessen, Doch hintendrein den Zauberspruch vergessen, Der streng die Elemente hält gebunden. Ein tödlich Pulver, sagt man, zu erkunden, Hat einst ein Mönch sich überklug vermessen, Und als er eben recht darauf versessen, Im Zauberdampf den eignen Tod gefunden. So habt den Zeitgeist ihr gebraut, gemodelt, Und wie so lustig dann der Brei gebrodelt, Ihm eure Zaubersprüche zugejodelt. Und da’s nun gärt und schwillt und quillt – was Wunder, Wenn platzend dieser Hexentopf jetzunder Euch in die Lüfte sprengt mit allem Plunder! II Ihr habt es ja nicht anders haben wollen Es fährt die Welt mit Dampf, die Meister grollen Dem treuen Roß ob seinem trägen Schritte, Und stacheln es, daß es den Zaum nicht litte, Und stachelten, bis ihm der Kamm geschwollen. O wunderschön, ein Roß im vollen Kühnfreien Lauf durch grüner Wälder Mitte! Lichtfunken sprühen hinter jedem Tritte, Die Mähne flattert und die Augen rollen! Was ruft ihr nun so ängstlich? Euren Winken Hat es zum Ritt sich wieder stellen sollen? Zu spät! Das Roß riß plötzlich aus zur Linken. Ihr mußt zur Rechten hinterdrein jetzt hinken, Da ist es nicht mehr Zeit, vornehm zu schmollen, Ihr habt es ja nicht anders haben wollen! III Kein Pardon Hervor jetzt hinter euren rost’gen Gittern, Heraus, ihr Schriftgelehrten, Hochmutstollen! An euch ist der Posaunenruf erschollen, Vor dem die Schlechten und Gerechten zittern. Denn Deutschland dunkelt tief in Ungewittern, Wo alle Quellen, Bäche, zorngeschwollen Als Ströme donnernd von den Höhen rollen, Und Blitze, was der Sturm verschont, zersplittern. Die Ströme werden nimer rückwärts stauen, Die Blitze werden zielen nach den Kronen, Die Stürme rastlos fegen durch die Gauen, All’ Türme brechend, wo die Stolzen wohnen, Bis all’ erkannt demütig in dem Grauen Den einen König über allen Thronen. IV Will’s Gott! Kein Zauberwort kann mehr den Ausspruch mildern, Das sündengraue Alte ist gerichtet, Da Gott nun selbst die Weltgeschichte dichtet Und auf den Höhen zürnend Engel schildern. Die Babel bricht mit ihren Götzenbildern Ein junger Held, der mit dem Schwerte schlichtet, Daß Stein auf Stein, ein Trümmerhauf, geschichtet, Die Welt vergeht in schauerndem Verwildern. Doch eins, das hastig alle übersehen, Das Kreuz, bleibt auf den Trümmern einsam stehen, Da sinkt ins Knie der Held, ein Arbeitsmüder, Und vor dem Bild, das alle will versöhnen, Legt er dereinst die blut’gen Waffen nieder Und läßt den neuen Bau den freien Söhnen. V Wer rettet? Es ist den frischen hellen Quellen eigen, Was alt und faul, beherzt zu unterwühlen Und Wasserkünste unversehns und Mühlen Wild zu zerreißen, wenn die Fluten steigen. Es liebt das Feuer frei emporzusteigen, Verzehrend, die mit seinen Lohen spielen, Es liebt der Sturm, was leicht, hinwegzuspülen, und bricht, was sich hochmütig nicht will neigen. Sahn wir den Herren nun in diesen Tagen Ernstrichtend durch das deutsche Land geschritten, Und Wogenrauschen hinter seinen Tritten, Und Flammen aus dem schwanken Boden schlagen, Empor sich ringelnd in des Sturmes Armen: Wer rettet uns noch da, als Sein Erbarmen? VI Das Schiff der Kirche Die alten Türme sah man längst schon wanken, Was unsre Väter fromm gebaut, errungen, Thron, Burg, Altar, es hat sie all verschlungen Ein wilder Strom entfesselter Gedanken. Der wühlt sich breit und breiter ohne Schranken, Ein Meer, wo zornigbäumend aufgeschwungen Die trüben Fluten Fels um Fels bezwungen, Und alle Rettungsufer rings versanken. Doch drüberhin gewölbt ein Friedensbogen, Wohin nicht reichen die empörten Wogen, Und unter ihm ein Schiff dahingezogen, Das achtet nicht der wasser wüstes Branden, Das macht der Stürme Wirbeltanz zuschanden – O Herr, da laß uns alle selig landen! . |