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Antworten zu Thema: Gerd Grimm: Stillleben mit Flaschen
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Geschrieben von Dirk Schindelbeck - 18.05.2008, 12:35
Eindenk der konstruktiven Kritik aus mehreren Richtungen mache ich einen neuen Versuch. s. o.
In der Tat war die Kritik berechtigt, schon insofern, da es doch nicht -
wie ich jetzt in Erfahrung bringen konnte, Bolivien war, sondern die
Provence, wo Grimm das Motiv fand (obwohl er viel Bolivien-Sujets gemalt hat - dazu später evtl andere Sonette).

Hintergrund meiner intensiven Auseinanderstzung mit Grimm ist übrigens ein Kalender-Projekt (12 Bilder von Grimm, 12 Texte von mir). Falls jemand eine Idee hat, wer sich dafür interessieren könnte, bin ich für Anregungen dankbar.

Wer sich für Grimm als Grafiker interessiert, mag auch diese von mir
betreute Website besuchen: www.grimm-foundation.de.
Noch ist der Mann so gut wie unbekannt, aber das wird sich bald ändern. Es gibt konkrete Ideen für Ausstellungen in renommierten Museen.

Vielen Dank und beste Grüße an alle, die den Texten ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben wie Fabian, sneaky u. a.
Geschrieben von Fabian - 09.05.2008, 15:30
ich muss mich Zaunkönig anschließen.
Bild und Sonett liegen inhaltlich sogar soweit auseinander, dass auch keine Annäherung erfolgen kann.
Das Sonett ist absolut düster und depressiv, während das Bild Lebensfreude und die typisch südländische Gelassenheit ausdrückt, jedenfalls in meinen Augen.
Was aber nicht heißt, dass ich das Sonett schlecht finde. Für sich gesehen gefällt es mit durchaus.
Die in den Blick stolpernden Flaschen gefallen mir schon mal sehr gut (aber auch hier gilt, dass es nicht zum Bild passt, denn dazu müsste mindestens eine Flasche liegen oder am Umfallen sein, aber sie stehen ja ganz ruhig da).
Auf jeden Fall ein sprachlich schöner Einstieg und es geht mit plastischen Bildern weiter, bis auf die letzte Zeile des ersten Quartetts, die ein wenig abfällt. Geschmackssache.
Im zweiten Quartett sind es dann gleich die letzten beiden Zeilen. Gott hätte man vielleicht da raus halten sollen, zumal daneben von Erlösung durch Bier gesprochen wird und das zusammen wirkt dann doch etwas seltsam (das doppelte "einzige" ist bestimmt ein Flüchtigkeitsfehler deinerseits, oder?).
Zudem sind die letzte Zeile des zweiten Quartetts und die zweite des zweiten Terzetts sechshebig, während alle anderen Zeilen Fünfheber sind. Einen inhaltlichen Grund sehe ich dafür nicht.
Inhaltlich und sprachlich finde ich die Terzette aber auch gelungen.

Wie gesagt, für sich betrachtet, gefällt mir das Sonett gut, bis auf die angesprochenen Punkte.
Das Problem hier ist natürlich, dass der Leser sich am vorangestellten Bild orientiert und demzufolge auch eine relativ klare Beschreibung erwartet. Wenn du eine zu persönliche und sehr freie Interpretation davon abgibst, dann entgleitet der Bezug eben auch schnell und verwirrt den Leser.

Gruß, Fabian
Geschrieben von ZaunköniG - 05.05.2008, 21:13
Zitat:Ich bin mir andererseits aber auch nicht ganz schlüssig darüber, wie sklavisch man der Vorlage folgen soll. Jedes Sonett auf ein Bild kann ja nur eine Annäherung sein, und sicherlich sieht und empfindet jeder Betrachter anders - hier kann es wohl immer nur Versuche geben.

Ja, das erinnert mich doch stark an die Diskussionen, die es immer wieder zu Übersetzungen / Nachdichtungen / Aneignungen gibt. Und eine Bildbedichtung ist ja auch so etwas wie eine Übersetzung. Im Grunde ist es eine sehr persönliche Entscheidung, ob man impessionistisch an die Aufgabe herangeht, also die Vorlage auf sich wirken läßt um sie zu interpretieren, oder ob man, expressionistisch, eigene Gefühle und Assoziationen mit einarbeitet.

Bei Übersetzungen, wie bei Bildbedichtungen sind die Grenzen fließend, und wohl auch der Anspruch des Künstlers.

LG ZaunköniG
Geschrieben von Dirk Schindelbeck - 05.05.2008, 20:19
Lieber Zaunkönig,

Ich kann die Argumente nachvollziehen hinsichtlich der nicht ganz so exakten Wiederaufnahme der Bildmotive im Sonett. Ich bin mir andererseits aber auch nicht ganz schlüssig darüber, wie sklavisch man der Vorlage folgen soll. Jedes Sonett auf ein Bild kann ja nur eine Annäherung sein, und sicherlich sieht und empfindet jeder Betrachter anders - hier kann es wohl immer nur Versuche geben. Aber das macht wohl auch den Reiz dieser Zwiesprache aus, die mal mehr und mal weniger zielgenau ausfällt und zu - erwünschtem! - Widerspruch reizt.

Einen schönen Tag und herzliche Grüße

Dirk Schindelbeck
Geschrieben von ZaunköniG - 18.04.2008, 18:05
Ein interessantes Bild
Das Sonett kann ich aber nur schwer mit dem Bild in Verbindung bringen.

Z. 3: Gerade durch die rötliche Unterlage würde ich das Flaschenensemble nicht als normalen Hausmüll interpretieren. Eher die Reste eines Picknicks. Das weiße Element ein abgedeckter Korb? Das rosane Teil links im Bild Kochgeschirr? Das ist nicht der Rest eines reinen Männerbesäufnisses. Ein echtes Besäufnis fängt auch jenseits von zwei Flaschen an.

Z. 8: Die grüne Flasche im Vordergrund kann ich nicht genau identifizieren, aber bei der zweiten Flasche handelt es sich nicht um Bier!

Z.13: Das Weib sitzt nicht inmitten der Flaschen, sondern deutlich einige Meter abseits.


Mir ist im Text-Bild-Vergleich zunächst aufgefallen daß Grimm den "Müll" in freundlicheren Farben malt als die Straße. Daher finde ich auch keine depressive Grundstimmung in dem Bild. Im Gegenteil: Es sind die Spuren von Lebensfreude, die sich auch in der Tristesse einer Armensiedlung immer wieder mal Bahn bricht.
Das Weib wirkt auf mich eher unbeteiligt. Sie kümmert sich nicht um den Müll.


LG ZaunköniG
Geschrieben von Dirk Schindelbeck - 18.04.2008, 17:21
[Bild: 097.jpg]


Stillleben mit Flaschen
(St. Marie, 1976)
1. Fassung



Die leeren Flaschen stolpern in den Blick,
der weiterwill, doch hängen bleibt; Gebrüll
von Mittagsglut steht hart auf diesem Müll:
der Ausschnitt, das ist Wirklichkeit, kein Trick.

Das Ende aller Zivilisation ist hier,
die Autowracks, die keiner wegräumt, Schrott.
Der einzige, der hier was holt, ist Gott.
Als einzige Erlösung bleibt das Bier.

So wars, als gestern nacht die Männer soffen,
den Abglanz fühlten einer bessren Zeit:
Jetzt liegen die Betrunknen in den Hütten.

Fürs Alltagsleben gibt’s hier nichts zu hoffen,
das weiß das alte Weib, das regungslos inmitten
der Flaschen sitzt seit einer Ewigkeit.







Stillleben mit Flaschen
(St. Marie, Provence)
2. Fassung

Auf einem Zeltplatz in der Haut-Provence:
Lavendelduft weht von den Feldern her.
Zur Mittagszeit verliert sich der Verkehr,
jetzt geht das Leben langsam, schläfrig, wie in Trance.

Vom opulenten Picknick blieben nur die Flaschen,
da jedermann es vorzog, sich nun abzukühlen.
So liegt man in den Zelten oder Wohnmobilen,
lässt sich von keinem stören oder überraschen.

Gibt’s denn ein Foto von dem schönen Essen?
Zu spät. Die Tafel aufgehoben. Ausgelassenheit
und Stimmung längst passé. Und bald ists schon vergessen.

Viel später tauchte doch ein Foto auf. Wie groß
war das Erstaunen über jene Nachbarin, die seinerzeit
das Flaschenbild belebte, selber ahnungslos.


Dirk Schindelbeck 2008
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