Sonett-Forum

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Brasserie del Sol


War das ein Lächeln? Das gefällt ihr wohl.
Die beiden kennen sich seit vielen Jahren,
seit sie in einen Plausch geraten waren
bei Wein und überbacknem Blumenkohl.

Sie haben ihre Freundschaft eingehegt
in einvernehmlich seichte Höflichkeit.
Unmerklich ändert sie sich mit der Zeit;
das Mienenspiel, der Worte Klang:

------------------------------------------ Er legt
den Arm um sie als er sich näher schiebt.
Er ist, sie sieht's ihm an, etwas verlegen.
"Du hast dich jetzt doch nicht in mich verliebt?"

"Ach Liebe," sagt er, "ist ein großes Wort."
Kaum ausgesprochen ist der Zauber fort.
Nun schaut sie ihm mit festem Blick entgegen.



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Hallo ZaunköniG,

da hast du aber ein amüsantes Sonett geschrieben.
Das Geschehen zwischen den beiden und den Tritt des Herren in das Fettnäpfchen samt weiblicher Reaktion kann man gut vor seinem inneren Auge genießen.
Klasse gemacht. Gerne gelesen.

Herzliche Grüße, Terrapin.
Hallo Terrapin,

Amüsant? Nun, mit einigem Abstand können Pleiten, Pech und Pannen sehr amüsant sein, - und der Erzähler hat ja auch Abstand. Für die direkt Beteiligten ist es das wohl weniger.

Liebe, wenn sie nur einseitig ist, ist immer kompliziert. Man kann kaum etwas richtiges sagen oder tun, aber Schweigen und Nichts tun ist auf Dauer auch keine Alternative.
Das Fettnäpfchen ist unausweichlich. Oder tragisch, wie der Grieche sagen würde.


Liebe Grüße
ZaunköniG
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01


Nun schaut sie ihm mit festem Blick entgegen.
Er weicht ihr aus, zunächst wohl irritiert.
Ich frage mich, was ist zuvor passiert,
doch ist mir nicht nach langem Überlegen.

Ich sehe gerne den Verliebten zu.
That's all. Das erste zögerliche Werben,
das große Glück, scheint etwas abzufärben,
Ich bin mit diesem Glück bald selbst per Du.

Es grüßt mich, denn wir kennen uns vom Sehen,
doch hat es grad woanders viel zu tun.
Und mancher scheint auch für sein Glück imun.

Die beiden hier beginnen zu verstehen.
Ein guter Ort, die Brasserie del Sol.
War das ein Lächeln? Das gefällt ihr wohl.



02

War das ein Lächeln? Das gefällt ihr wohl.
Sie schielt nach etwas Glück vom Nachbartisch,
wo zwei sich in die Augen sehn... Wie frisch
verliebt. Frisch widerscheint auch die petrol-
türkise Bluse aus entspanntem Blick:
Nein. - nicht entspannt, - viel eher hoffnungsvoll!
Er weiß bald nicht, wohin er schauen soll ...
Er schaut, - verspannt greift er sich ins Genick

und fahndet nach Entspannung hinterm Tresen:
"Könn' wir nochmal?" - "Für Dich nochmal das Gleiche?"
"Jaa... - War doch schön, als wir zusammen waren!"

Und er: "Es ist nicht alles schlecht gewesen,
doch wird es wohl auch dieses Mal nicht reichen...
Die beiden kennen sich seit vielen Jahren.



03

Die beiden kennen sich seit vielen Jahren.
Sie kennen jede Schlaufe, jeden Strick,
den Zauber und auch jeden faulen Trick
um miteinander auch die viertelgaren
Gelegenheiten, sich zu unterhalten,
beim Schopf zu packen. Diese war schon halb-
und souverän erlegen sie den Skalp.
Die Politik, die kauzigen Gestalten,
die an der Fensterfront vorüberwehen
mit aufgesetztem, lässigem Gebahren;
Ihr feiner Spott trifft alle Welt und jeden.

Sie schweigen nicht, auch um sich einzureden,
dass sie sich eigentlich ganz gut verstehen,
seit sie in einen Plausch geraten waren.



04

Seit sie in einen Plausch geraten waren,
sie fragte nur nach einem Taschentuch,
er saß allein am Tisch, denn sein Besuch
hat ihn versetzt, genießen sie die raren
Momente, die sie füreinander haben
und sie erinnern sich, wie 's damals goss,
wie ein verregneter Touristentross
mit dunklen Mänteln wie ein Pulk von Raben

bald jeden freien Stuhl im Saal besetzte.
Er gab das Taschentuch und ein Menthol-
bonbon. - Zwei Kaffee und eine geschätzte
Monsunzeit später, saß man noch zusammen,
die Unbill ihres Schicksals zu verdammen,
bei Wein und überbacknem Blumenkohl.



05

Bei Wein und überbacknem Blumenkohl,
mediterran gewürztem Salzgebäck
und Ingwertee ist es ein guter Fleck,
ein etwas überheizter Gegenpol
zum nieselnassen kalten Grau der Straßen.
Die Sandsteinoptik und der Kegelbuxus
vermitteln einen bürgerlichen Luxus,
der sich wie Urlaub anfühlt. Sie vergaßen
die Zeit und irgendwie hat es sich gut
so angefühlt. Die große Standuhr schlägt
nicht mehr, zur Gin-Vitrine umgebaut.

Auf einem freigebliebnen Stuhl legt traut
ihr Schaltuch sich um seinen nassen Hut;
Sie haben ihre Freundschaft eingehegt.



06

Sie haben ihre Freundschaft eingehegt
in ihre Rituale und Marotten,
in Filmzitate und die polyglotten
Zweideutigkeiten. Aber sie bewegt

sich nur im abgemessenen Careé,
wie diese Barben im Aquarium.
Sie schau’n in ihre Spiegelbilder, stumm,
als wäre hinterm Glas die weite See,

die sich als Rauschen in die Sinne schleicht.
Was sie am Spiegelbild dann doch entdecken:
Der Blick verrät es ihnen mit der Zeit:

Dies Draußen ist ein großes Haifischbecken
Sie ziehen sich zurück, schon fällt es leicht,
in einvernehmlich seichte Höflichkeit.



07

In einvernehmlich seichte Höflichkeit
versunken, wie in ein Gespinst, zerbricht
jäh die Behaglichkeit, weil ein Gesicht
im Fenster aufscheint. – Noch eins. Nun zu zweit

schau’n sie zum Gastraum rein, nach freien Plätzen.
Schmal, hochgewachsen, in dezentem Chic…
Er sieht: Sie hat ihn gleich erkannt. – Ihr Blick
dehnt die Sekunden um ihn abzuschätzen.

Dann kippt ihr Staunen um in Scheu und Scham
und schließlich geht sie hin, woher sie kam,
in eine bessere Vergangenheit.

Ihm ist, als hätt' sein Leben einen Sprung
und es verschiebt ihm die Erinnerung;
Unmerklich ändert sie sich mit der Zeit;



08

Unmerklich ändert sie sich mit der Zeit;
und zeigt bald ein verwandeltes Gesicht.
Statt Chef-Salat und einer Cola light
gibt es bei absteigendem Sonnenlicht

nun Crêpes Susan. Die Mittagszeit der Banker
verstreicht und Bar wie Fensterplatz gehören
bald den Kulturtouristen und Flaneuren.
Die schmunzeln über Fotos von Paul Anka

und Udo Jürgens, doch im Hintergrund
läuft Fado, Tango, Blues. Susanne pflegt
noch selber aufzulegen. Wenn Du zeigst,

dass Dir das nicht gefällt, gar jemand feixt,
durchbohrt sie ihn mit harten Blicken und:
Das Mienenspiel, der Worte Klang: Erlegt.



09

Das Mienenspiel, der Worte Klang: Er legt
viel Wert auf jedes winzige Detail.
Er übt und doch soll es wie nebenbei
passier‘n, wenn er die Beine überschlägt:

Er lehn sich bei ihr an wie ausversehen
Sie wird für den Moment kurz irritiert
sein, - er nimmt ihre Hand und schließlich wird…
Er überlegt: Was wird wohl dann geschehen?

Naja, - Sie wird ihm nicht gleich eine scheuern,
doch wenn er merkt, dass es ihr nicht gefällt?
Im Grunde weiß er, dass sie ihn nicht liebt.

Er würde, dass es harmlos sei, beteuern
und legt, wie er’s geprobt, wie er’s sich vorgestellt,
den Arm um sie als er sich näher schiebt.



10

Den Arm um sie, als er sich näher schiebt,
gelegt, gewinnt er wieder an Gestalt.
Sein Cappuccino ist schon wieder kalt;
Er wird ihn nicht mehr trinken, doch sie gibt
nicht viel darauf. Die eine gute Stunde
am Mittwoch gilt nur den Erinnerungen
und Erdbeerkuchen. Dann ist sie gelungen.
Sie sprachen anfangs über ihre Hunde
und waren froh, dass es den Anlass gab.

Die Hunde gibt es heute auch nicht mehr.
Ihr bleibt nur noch ihr Ritual zu pflegen.
Das ist hier angenehmer als am Grab.
Er trinkt nicht. Ihre Tasse ist schon leer.
Er ist, sie sieht’s ihm an, etwas verlegen.



11

Er ist, sie sieht's ihm an, etwas verlegen.
Er schaut zu Boden und gestikuliert,
prüft die Frisur... Sie schaut erst amüsiert,
dann kommt sie ihm mit flottem Schritt entgegen.

"Na Du, - Mit wem hast Du denn da gesprochen?"
"Ich?" - Ach das war nichts...." - "Lass dich erstmal drücken!"
Ganz sachte streicht er über ihren Rücken.
Das gibt ihm etwas Zeit. - Seit Wochen
versucht er es. Heut will er es ihr sagen -
und hat den Einstieg wieder mal versiebt.
Er kann sein Herz nicht auf der Zunge tragen.

Dann anders! Schnell ein Kuss, noch eh sie 's checkt...
doch sie nimmt Abstand. klingt jetzt fast verschreckt:
"Du hast dich jetzt doch nicht in mich verliebt?"



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"Du hast dich jetzt doch nicht in mich verliebt?"
Natürlich – und er wird sie immer lieben –
denkt er, und „Wär er doch beim Text geblieben.“
Ob es noch einmal so’ne Chance gibt?

Was er tatsächlich sagt: „Es tut mir leid.
- ich wollte nicht. – Du weißt schon.“ – Sie weiß nicht
was er für’n Kauderwelsch zusammenspricht.
„Nun atme einmal durch und lass Dir Zeit.“

Er hatte sich doch alles gut sortiert,
doch was er sagten wollte: alles fort.
er weiß nur noch, dass er sich grad geniert.

Lag in der Frage nicht ein Unterton?
Klang es nicht fast, als wüsste sie es schon?
"Ach Liebe," sagt er, "ist ein großes Wort."



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"Ach, Liebe," sagt er, "ist ein großes Wort."
und weiß doch selber kaum, zu wem er's sagt.
Ein kurzes Wort, das an der Seele nagt,
solang es noch kein Ziel hat, keinen Ort.

Sie redet so, als sei es keine Sache,
als ob es gar keine Bedeutung hätte
und ihre Augen funkeln um die Wette.
So ist ist sie. Sie bringt es direkt zur Sprache.

Es ist ein unerhörtes Sakrileg
und zwingt ihn nun selbst das Tabu zu brechen:
"Du willst mit mir über die Liebe sprechen?"

er sagt's und spürt sofort: Das Privileg
des Augenblicks ist schon im Keim verdorrt.
Kaum ausgesprochen ist der Zauber fort.




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Kaum ausgesprochen ist der Zauber fort.
Sie kann den Vogel einfach nicht durchschauen.
Soll sie ihm etwa goldne Brücken bauen?
Dann wirft sie den Gedanken über Bord
und sucht nach etwas Unverfänglichem.
"Am Samstag soll es noch mal trocken bleiben."
Ihm scheint's die Lage ganz gut zu beschreiben.
Man hängt doch immer an Vergänglichem.

"Mal schauen ob das Wetter wirklich hält."
Tatsächlich ist er nicht mehr so verlegen,
obwohl ihm solcher Smalltalk nicht gefällt.

"Vielleicht kann man sich Samstag wiedersehen?
Jetzt muss ich los." - "Du willst schon wieder gehen?"
Nun schaut sie ihm mit festem Blick entgegen.


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