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Normale Version: Gesichte des Knechts auf Golgatha
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Gesichte des Knechts auf Golgatha

1

Ich wollte zeigen, was ich sah
und was ich immer mehr erfuhr,
und fand mich auf der eignen Spur
besinnungslos und mir geschah,

als ich mich fand, war ich schon da,
ich bin geteilt und in der Schur
des Schmerzes fand lebendig nur
ich mich erkannt auf Golgatha.

Den Sinn frug icch umsonst um Rat,
Erkenntnis, die nur Blöße sucht,
nahm mir mein letztes Eigenkleid,

nun schlägt der Sinn der Schmerzenszeit,
ein dürres Blatt noch, um die Frucht,
wann fällt sie ab, wann reift die Tat?


.
2

Der Sinn muß brechen, wie den harten Geiz
der Schale bricht die wahrhaft innenreiche,
die in sich kummerlose, seelengleiche
Ohnmacht der Blüte ganz verzehrt von Reiz.

Um wahr zu werden, ledig jeden Neids,
ein Lebensfaden nur wie Mark der Eiche,
den rollend schlägst du mit des Rades Speiche,
so laß dein Bild dahin des Weltgeleits.

Du Sucher eines Sinns stets überholt
von einem erdverlornen Widerhall,
daß dich die Wurzel nie verlassen hätte,

die Nabe um dein Mark nie fortgerollt,
nun bist du Hungerwüste überall,
einst warst die Blüte du der Schädelstätte.


.
3

Ich bin ein bitterkeitgetränkter Schwamm;
als müsse ich den Satz der Erde büßen,
so schwermuttrunken steigt aus meinen Füßen
und schwillt mir in die Brust des Markes Stamm.

So mundvoll quillt der Worte Rand und Damm,
die ich, einfältgen Sinnes dich zu grüßen,
aus meiner Galle sog, sie dir zu süßen,
mein Sinn vergeht, ich bin ein blökend Lamm.

Mich flieht des Menschen wohlgetan Geschick,
das Rohr fällt nieder kümmerniszertrümmter,
doch hüllenloser macht mich nur dein Blick,

der leichte Sinn wird schwerer stets verirrt,
bis das dein ganz in Sichtbarkeit verkrümmter,
dein wahrerLeib mir unvergesslich wird.


.
4

Ich bin das Meer, damit du nicht
zur Erde werdest, mich zu heben,
der nimmer über dir kann leben,
der unter Wassern sich verflicht,

der mit so lahmen Armen ficht,
daß ihn die erde und ihr Beben
nur dunkel rührt, er stockt ergeben
geblendet von dem trüben Licht.

Und doch wenn es dann Spiegel wird,
im Meerbild fischgleich stößt die Schwalbe,
die aus den Lüften Speise raubt,

in ihm ist nichts mehr, was verirrt,
jeder Gedanke, jede halbe
Bewegung schließt sich um dein Haupt.


.
5

Ich kann mich nicht auf eigner Bahn verhalten,
bin mit dem Fisch, bin mit der Schwalbe gleich,
das Bild des Himmels stürzt und aus dem Teich
was stürzt entgegen wie mit Todgewalten.

Ich kann das rote Herzblatt nicht entfalten
und über, unter meiner Seele Reich -
wer haust darin, nicht ich - ich kann nur streich-
gelähmt, durchzuckt mich anschaun keimzerspalten.

Wer haust darin, dem ich Empfängnis bin,
dem ich mich nahe mit dem kalten Schwerte,
er lebt und seines Atems bin ich Blitz,

die heitre Luft, des Spiegels Silberzinn,
inzwischen wie auf endlos milder Fährte
die Ader leise blutend von dem Ritz.


.