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Normale Version: An die Nacht
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An die Nacht


MOTIV

O nott', o dolce tempo benche nero,
(Con pace ogn' opra sempr' al fin assalta)
Ben ved' e ben intende chi t' esalta;
E chi t' onor', ha l' intellett' intero.

Tu mozzi e tronchi ogni stanco pensiero;
Che l' umid' ombra ogni quiet' appalta:
E dall' infima parte alla piu alta
In sogno spesso porti ov' ire spero.

O ombra del morir, per cui si ferma
Ogni miseria l' alma al cor nemica
Ultimo delli afflitti e buon rimedio;

Tu rendi sana nostra carn' inferma,
Rasciug' i pianti, e posi ogni fatica,
E furi a chi ben vive ogn' ir' e tedio.

Michelangelo: An die Nacht III.



I.

O Nacht, du holde, wenn auch finstre Zeit!
Mich drängt mein nächtiges Herz, von dir zu sprechen.
Du Schreckliche, die in sein Dunkel schreit!
Du Milde, es mit leisem Griff zu brechen!

Du schwarzer See aus Angst, Gebirg aus Leid,
Landschaft mit Seufzerwald und Tränenbächen!
Gestrüpp aus Laster, Sumpf der Trunkenheit,
Keim, dem verhängt ist, jede Lust zu rächen:

Wenn du der Tod nicht bist, wer bist du, Schoß,
der mich gebar in diese Flucht von Tagen,
darin ich blind und taub und irrend bin ?

Hier steh ich: nackt: ein bittres Menschenlos.
Hilf mir dies Los, hilf mir dich selbst ertragen:
Du gibst den Frieden, treibst das Werk dahin.

.
II.

Du gibst den Frieden, treibst das Werk dahin,
wo es beruht: Da tobt kein Zweifel mehr,
da steht das Wort in seinem Wortbeginn,
da ist ein Garten früh, und nichts ist schwer.

Es wogt vom untern Sein herauf wie Meer,
und in der Purpurflut hangt ein Gespinn
von großen Tönen, schönem Ungefähr
mit längst verlorner Vielgestalt darin.

Das Blut, o hör! Wie rauscht es doch! Das sind
die alten Klagen, ist die alte Lust:
Gehirn, vergeh! Ergrübeltes, zerrinn!

O letzte Weisheit, Wein und Laubgewind,
du brausend wilder Sang durch diese Brust!
Wer dich in sich fühlt, preist dich Königin.
III.

Wer dich in sich fühlt, preist dich, Königin!
Ist nicht das Licht bloß Büttel dem Verstande?
Doch das Geheimnis steht, ein Seraph kühn,
das Haupt in Wolken, über deinem Lande.

Den Tag, den Schänder, du entmannest ihn
und raubst ihm, dem Verführer, die Gewande.
Dein ältres Recht nimmst du, Gebärerin,
und tränkst und nährest dich von seiner Schande.

Wo ist der Starke, sich mit dir zu gatten?
Vielleicht die Früheren, die Seher hatten
dich einst umarmt und hatten nicht den Tod.

Und standen auf und sagten blitzumloht
das Ewige: jäh blind, doch ohne Leid.
Wer dir die Ehr gibt, ist zutiefst gefeit.