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Normale Version: WANDLUNG UND ENDE
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Zwischen Himmel und Erde

WANDLUNG UND ENDE

I


Beirrt vom kalten Geiste der Erfahrung,
Der mit des Zweifels Pein die Seele plagt,
Hab ich mir deine Nähe lang versagt,
Und nahm vor dir mein Auge in Verwahrung.

Aus deinem Anblick schöpft die Liebe Nahrung;
Ich sehe dich, der Glaube kehrt zurück.
Der alten Träume wonnevolles Glück :
Dein Angesicht ist ihre Offenbarung !

Die adelige Linie deiner Glieder,
Die rein vom Scheitel zu den Sohlen fließt.
Der sanfte Mund, das Auge, das die Lider

In nachdenklichem Sinnen leicht beschatten —
Sie preisen dich, wie du im Innern bist.
Wie meine Träume dich verkündigt hatten.


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II

Wie einen Vorwurf fühl' ich deine Klage,
Daß freudenlos und karg das Leben sei,
Das du vollbringst, ein traurig Einerlei
Von dumpfer Ruhe und erneuter Plage.

Und wieder stell ich mir die bange Frage,
Was ich mit meiner Liebe geben kann ;
Und Leid und Lust, die ich dir angetan.
Leg ich noch einmal prüfend auf die Wage.

Doch wägend bin ich Ärmste schon betrogen ;
Das Leid ist schwer, das Glück ist federleicht:
Wie wird da nach Gerechtigkeit gewogen.

Nicht wäge denn, was kostbar ist und selten.
Den Augenblick des Glücks, der Perlen gleicht —
Die herrlichsten, mein Freund, sind die gezählten.


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