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Normale Version: Sonette - in 12 Runden zu 14 Gedichten - 09 F. W. dem jugendlichen Geigenvirtuosen
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F. W. dem jugendlichen Geigenvirtuosen

Am ersten Abend in sein Gedenkbuch


Wir, denen heut’ dein göttlich Spiel erklungen,
Wir danken dir vereint aus meinem Munde,
Wir danken dir aus tiefstem Herzensgrunde,
Du großes Kind, das männer selbst bezwungen.

Denn von des Alltags Staub emporgerungen
Hat auch der Kleinste sich zu dieser Stunde,
Du hattest selbst den Seichtling heut’ im Bunde,
Das Schwerste, was dem Künstler je gelungen.

Doch mich ergriff dein Lied wie Himmelslabe,
Wie einen Älpler, dem in fremden Landen
Vom Hochland singt ein Knab’ am Hirtenstabe.

Hab’ Dank für all, was meine Sinn’ empfanden,
Du meines Geisteshochlands Hirtenknabe,
Den höchsten Künstlerdank: Du bist verstanden!


.
Mit meinen Gedichten

Dir ward die neidenswerteste der Gaben
Vom Schicksal in der Wiege schon gespendet:
Du wardst aus Himmels Räumen uns gesendet,
Mit hehren Weisen jedes Herz zu laben.

Nur Eines mangelt heute noch dem Knaben,
Doch das den wahren Künstler erst vollendet:
Im Reich des Denkens bist du noch verblendet,
Nicht kannst du deine eig’ne Welt noch haben.

Drum laß dies Buch aus reifern Freundes Händen
Dir nach und nach das Licht der seinen spenden,
Verweb’ es mit dem Zauber deiner Lieder;

Und bracht’ es näher dich dereinst dem Ziele,
Dann komm auf’s neu’ mit deinem Saitenspiele
Und gib in Tönen mein Geschenk mir wieder!
Mit meiner Photographie

Als mich dein Bild zum erstenmal entzückte,
Was war es, das mich mächtig zu dir zwang?
Was war es, das bei deiner Saiten Klang
Wie Grüße geist’ger Heimat mich beglückte?

Und als zum Abschied ich die Hand dir drückte,
Was war es, das urplötzlich dich durchdrang?
Was wie du sagst, in Glückes Überschwang
Dir wie ein Funke durch die Glieder zückte?

War’s nichts als kurze, flücht’ge Traumverblendung,
Die in dem Rausche zweier Künstlerstunden
Uns allzu rasch, drum allzu leicht verbunden?

War’s nicht die Ahnung gleicher Priestersendung,
die wahlverwandte Geister hier entzündet,
Und einen Bund fürs Leben uns begründet?
Daheim

Wenn angelockt von deines Leibes Prangen
Ich allzu zärtlich, Freund, mich dir erzeige,
Wenn ich mein Haupt zu deinem Haupte neige,
Zu streiten selig deine Sammetwangen,

Wenn ich mit Armen wonnig dich umfangen
Und selbst im Kuß die süße Not nicht schweige:
Dann auf, Geliebter! Rasch ergreif’ die Geige,
Und spiel mir auf von Liebeslust und –Bangen!

Beim ersten Vollklang deiner Himmelslieder
Verstummt mit eins die Dirne Sinnlichkeit
Und stöhnt gekettet mir zu Füßen nieder,

Indes mein Geist, entrückt der Zeitlichkeit,
Von dannen schwebt auf strahlendem Gefieder
Zu Ätherhöhen reinster Geistigkeit.