Sonett-Forum

Normale Version: Lebendiger Spiegel
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Lebendiger Spiegel

Wie magst Du Dich dem todten Spiegel zeigen,
Den stumm und kalten um ein Urtheil fragen?
Laß ihn Dir auch gewohntes Schöne sagen,
Das Schönste muß er ewig Dir verschweigen;

Er hat kein Herz in keinem Busen schlagen,
Um Dir in Lieb' und Ehrfurcht anzuneigen,
Dich Deiner Anmut ganz zu überzeugen:
Du würdest sonst Dich im Gedächtniß tragen.

O dürft' ich so statt seiner, vor Dich treten,
Und Du, wie ihm, so mir ins Auge schauen,
Das Unbewußte würd' ich Dir vertrauen;

Du würdest Dich nicht so an Dich gewöhnen,
Nein, überrascht, mit steigendem Erröthen,
Dich vor Dir selbst und mir verschönen.