Sonett-Forum

Normale Version: Sonette für Jan
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Sonette für Jan

I.

Traueresche im Regen


O Traueresche, - schwesterlicher Baum,
der nun erst Frühlingsmacht an sich erfährt!
So lang hast Du verzweifelt Dich gewehrt,
nun überwältigt Dich Dein später Traum.

Denn wie Prokrustes mit dem Gast verfährt,
spannt man Dich qualvoll über weiten Raum.
Schwarz, schmerzverkrampft, scheint es mir Astwerk kaum,
was sich nach Licht sehnt und zur Erde kehrt. -

Ja: Trauer, Trauer ist Dein Element!
Ja: Klage, Klage, die kein Ende nimmt
und Sehnsucht, die dem Blitz entgegenglimmt, -
Verwurzeltsein, das dunkle Tiefen kennt.

Da tropfennaß durch's nasse Laub ich spähe,
ist mir, als ob ich Engel weinen sähe.


.
II.

Sag' mir noch einmal Du, - daß Du mich liebst -
Der fremden Sprache slawisch weicher Laut
wird, wie dem Herzen, so dem Ohr vertraut,
wenn Du der Liebe fremde Namen gibst.

Vielleicht las meine Mutter einst als Braut
zärtliche Zeilen, wie auch Du sie schriebst.
Dies: "Ja Cie kocham!" dem Du Herold bliebst,
es hat ihr Glück, wie meines aufgebaut.

Hab' ich Dir früher Märchen je erzählt?
Jetzt will ich nur von Aschenbrödel hören.
Sie saß am Herde, traurig, ungestrählt?

Den Prinzen wollten Andere betören?
Und kam er doch? Und hat er sie erwählt?
O "Ja Cie kocham!" Du, ich kann es schwören.
III.

Jugendbilder des Geliebten


O nähmst Du niemals diese Bilder fort!
Schon lieb' ich sie, als ob sie mir gehörten.
Dies mit dem strengen Blick, dem früh-empörten
und jenes sittsam, wie der kleine Lord,

so aufrecht in dem hohen Stuhl, als hörten
erschreckte Ohren just ein mahnend' Wort.
Doch, o mein Liebster, stünde ich nur dort,
wohin dies dritte blickt, mit süß verstörten,

zärtlichen Augen, die zu viel schon wissen.
Wär' ich der Traum, den diese Stirn umfängt,
wär' mir zu lächeln junger Mund beflissen,

wär' mir Dein Leben eh' und je geschenkt!
Nicht nur ein Blatt vom Buche ausgerissen, -
von großer Hand, die gibt und nimmt und lenkt. -
IV.

Zum zwanzigsten Geburtstag


Wie schwer ist doch das Schicksal: Arm zu sein.
Nicht für mich selbst, doch kann ich Dir nichts geben,
als dies mein Leben, mein verarmtes Leben
und dies auch ist verschenkt, ist längst schon Dein.

O könnte ich verborg'ne Schätze heben,
wie sie die Schlange hütet unterm Stein,
ich würde Dir den Glanz des Herrschers leih'n
und stünde selbst im Bettlerkleid daneben.

Denn Liebster, arm zu sein - es ist auch Lust!
Ich neigte mich Almosen zu empfangen,
da zogst Du mich empor an Deine Brust

und küßtest mir die Schatten von den Wangen.
Doch tief im Herzen hab' ich stets gewußt:
Wär' Reichtum mein, - Du wärst vorbeigegangen.
V.

Tritt leise auf, o still, sprich nicht so laut!
Sei scheu, so wie das Wild, das stumm sich deckt.
Oft wähnt' ich schon - im Dunkel aufgeschreckt -,
uns hätt' ein böses Auge angeschaut. -

Lach' nicht so hell! Sie sind so leicht geweckt,
die Eumeniden. - Junges Herz vertraut,
mir aber, mir der Wohlerfahr'nen graut
vor Götterrache, neidisch rasch vollstreckt.

Frag' mich nicht: "Bist Du glücklich?" Weißt Du's nicht?
Laß weise mich, wie Frau'n des Ostens tun,
und rufen: "Sklavin bin ich ekler Pflicht!

Ich muß in des Verhaßten Armen ruhn!
Gemied'ner Leib! Verabscheutes Gesicht!
Ich haß' ihn, o ihr Götter! Schont ihn nun!"
VI.

Zwei lange Jahre leb' ich ohne Dich,
wenn leben heißt: das liebste Glück zu meiden,
wenn leben darben heißt und Unrecht leiden
und doch dem Stern vertrauen, der verblich.

Wer zog das ärg're Los wohl von uns beiden,
Du - der Gefang'ne - die Verfemte - ich?
Schwer überlastet senkt die Waage sich,
die Schalen schwanken unstät' zwischen beiden.

Den Winter Gottes gilt's zu überstehn,
den Frühling Gottes gilt's vorauszuahnen.
So wie die Meisen schon in Eis und Wehn

mit ihrem hellen Ruf zur Hoffnung mahnen.
Ich hoffe gläubig auf dies Wiedersehn
und Gottes Gnade wird den Weg uns bahnen.

.
VII.

Durch eine Welt - ganz ohne Licht und Farben -
geh' ich, so wie von Leiden eingeschneit.
Leid fällt auf mich, ich wate tief in Leid,
- allein Du lebst, da so viel Kämpfer starben.

Stets einsam kenn' ich jetzt erst Einsamkeit.
Stets hungernd, kenn' ich jetzt erst wahres Darben.
Die Ernte faulte mir in vollen Garben,
- allein Du lebst, Gott sei gebenedeit!

Mein Tag ist Mitleid - Ekel - Zorn und Grauen,
die Nacht Verzweiflung - Sehnsucht und Gebet.
- Allein Du lebst, ich darf Traumschlösser bauen.

Ich weine Herz, weil es Dir übel geht.
Ich sehne mich, Dein Angesicht zu schauen,
den Atem segnend, der lebendig weht.
VIII.

Herz ohne Heimat, ist dies zu ertragen?
Kein Ohr bereit, der Klage sich zu neigen,
nur immer übervollen Herzens schweigen
und Klagen hören, fremde, eitle Klagen. -

Erlöschen sehen in den fremden Blicken,
sobald man Mund zu sein wagt und nicht Ohr;
da schweigt die bitt're Lippe wie zuvor,
das Herz scheint im Verschweigen zu ersticken.

Mund, der nur tröstet und den Gram verschweigt,
der allen Gram der Andern übersteigt, -
Herz, das nur Andern Mitleidstränen weint,

vom eig'nen Leide tränenlos versteint!
Trüg' ich die Lasten mir noch zugelegt,
wär' nicht ein Engel da, der mit mir trägt? (
IX.

Wenn meines Glaubens Kraft das Wunder wirkt
und Wiedersehn begnadet Dich und mich,
dann siehst Du, - selbst noch kindhaft jugendlich, -
was Dir Gewöhnung schonend nicht mehr birgt:

wie alt ich bin. - Denn letzter Glanz verblich.
Des Haares Braun hat Einschlag weiß durchwirkt,
die Augen sind von Runzeln rings umzirkt:
Zitt'rige Runen meiner Angst um Dich.

Doch denk' ich nie, Du könntest mich verlassen.
Ich trau in Tränen Dir, wie einst im Glücke,
denn ein Gefühl wie dies, - kann nicht verblassen.

Und baut uns Gott die Regenbogenbrücke,
wird uns das Wiedersehn zusammenpassen,
wie eines Rings entzweigesprung'ne Stücke. -
X.

Credo


Es ist mein Amt nicht zu vermaledei'n.
Zum Trost berufen, aber nicht zum Fluche,
ist es mein armer Teil, wenn ich versuche,
im allerengsten Rahmen gut zu sein.

Was auch an Leiden die Geschichte buche,
den großen Sündern möge Gott verzeih'n. -
Ich zeichne an des Bildes Rand mich ein,
mit seinem Inhalt stumm im Widerspruche.

Denn wie der Sperling ohne Unterlaß
im Abfall pickend seine Nahrung findet,
so such' auch ich in einer Welt voll Haß

nach Liebe, die uns tiefgeheim verbindet.
Und davon leb' ich, - mich erhält nur das:
Ich liebe, - und wer liebt, der überwindet.
XI.

Wie aus ägyptischem Relief gestiegen,
von meinem Wunsch gerundete Figur,
stehst Du vor mir. - Es scheint noch eine Spur
früher Vergoldung auf der Haut zu liegen.

Der Iris Braun gebettet in Lazur,
Haare, die kappeneng an's Haupt sich schmiegen,
des Mundes nubisch-üppige Kontur, -

all dies gemahnt an dunklen, alten Kult
und läßt die Stirn mich tief zur Erde neigen,
verstrickt in meines Götzendienstes Schuld.

Die schönsten Attribute sind Dir eigen:
göttliche Jugend, göttliche Geduld,
und beide lächeln mir aus Deinem Schweigen.
XII.

Eva


Grausamer Engel mit dem Flammenschwerte,
des kaltes Wort aus Himmeln mich verwies,
in zeitlos-grenzenlose Qual mich stieß
und mich den Urfluch des Geschlechtes lehrte.

Staub fraß ich seither, wie Dein Mund mich hieß.
Mein Herz war blitzgetroffen und es schwärte;
die in der Sühne noch nach Lust begehrte,
ich träumte Dich nur, nicht das Paradies!

Ich liege, ein verkohlter Haufen Leid,
Abschaum der Welt, vertieftes Ungesicht,
gestürzt in teilnahmslose Einsamkeit.

Selbst Flamme nicht mehr, nicht mehr Schwert noch Licht.
Und alles dies wär' mir noch Seligkeit,
wärst Du nur glücklich, Engel! - Du bist's nicht. -
XIII.

Einsam sind meine Abende und kalt
und ohne Stern, - denn Du bist fortgegangen,
Verwöhnung einzutauschen für Verlangen
Vergötterung für panische Gewalt.

Dein junges Recht ist's, Freuden nachzuhangen,
- mein Recht ist Leiden nur, denn ich bin alt.
Wie Efeu, tausendfing'rig angekrallt
hab' ich zu lange Glück von Dir empfangen.

Und hastig, schon von mir gewandt zum Fest,
beutst Du den süßen Mund mir noch einmal
- der Knabe, der der Mutter Haus verläßt. -

So wie Jokaste, - Mutter und Gemahl -
liebte ich Dich, unschuldig im Inzest,
vom Fluch zu Dir getrieben, ohne Wahl.
XIV.

Meuterndes Herz, - undienstbar dem Gebot
der furchtbarsten Beherrscherin, der Zeit,
wähnst Du allein von allen Dich gefeit
vor dem Vereisen, das so nah Dir droht?

Lohendes Herz, - ganz unbelehrt durch Leid,
unmüd vor Alter, - ungeschwächt von Not,
willst Du denn glühen bis zum nahen Tod
als ew'ges Licht vor Jugendgöttlichkeit?

Mein Fleisch zerbröckelt Qual, versehrt Beschwerde;
nur kurze Frist noch ist mir hier geliehn.
- Liebst Du noch Herz, auch wenn ich sterben werde?

Vielleicht wird mir ob Deiner Glut verziehn.
Ein Engel nimmt Dich auf aus Schutt und Erde:
im Schattendunkel leuchtet ein Rubin.
XV.

Frauen! Matronen! Seid von mir beschworen,
lügt mir nicht wie dem Feind, dem Manne, sprecht:
ist Eure Würde des Entsagens echt?
Wonach mich dürstet - gabt Ihr's leicht verloren?

O Frauen, Schwestern, dünkt es Euch gerecht,
daß uns allein zweifacher Tod erkoren?
Denn vor dem Tod, der würgt was da geboren,
droht furchtbar uns das Sterben im Geschlecht.

Ihr Mütter hingebeugt von Eurem Los,
fühlt etwa Ihr Euch minder als Beraubte,
weil Jugend Ihr gebart aus stillem Schoß?

Ich, die wie Jovis nur gebar im Haupte,
vor mir ragt das Verlangen himmelsgroß
und Weisheit liegt zerscherbt, an die ich glaubte.
XVI.

Ich will nicht klagen und ich will nicht fragen,
ich will nicht hören, was mich elend macht.
Ich weiß es, Du betrogst mich heute Nacht. -
Ich will nicht fragen und ich will nicht klagen!

Verlangt beredt're Zeugen der Verdacht,
als Lippen, die verschwelgt ihr Lächeln tragen?
Als schöne Augen, deren Schatten sagen,
daß neu ihr Glanz an Flamme angefacht?

Ich will nicht hören und ich will nicht weinen,
dem Schleier dankbar, den Dein Mitleid spinnt;
mein Schweigen, Frucht der Neigung, gleich dem Deinen.

Ich will nicht Unheil sehen, das beginnt
und da Du treu scheinst, will ich glücklich scheinen
und nur Dich lieben, - stumm - und taub - und blind.
XVII.

Ich weiß: es straft Dich einst die gleiche Qual,
wenn erst der Spiegel, statt Dich zu verwöhnen
Dein Bild Dir zeigt, als wollt' er Dich verhöhnen,
wenn Dir die Zeit den ernsten Zauber stahl.

Dann kniest wie ich Du häßlich vor dem Schönen,
tragisch verkettet, Sklave ohne Wahl,
trunkenen Blicks, den Mund verzerrt und fahl
- zu stolz Dein ganzes Leiden auszustöhnen.

Mein blasser Schatten tritt dann bei Dir ein,
Erinnern wird die Jahre überbrücken,
unselig so wie ich, gedenkst Du mein.

Doch ich -? Soll die Vergeltung mich beglücken?
Mein Kind, mein Alles, - soll dies Trost mir sein,
daß auch Dein Haupt einst blut'ge Dornen schmücken?
XVIII.

Herr rufe gnädig mich aus dieser Not.
Ehrfurcht vor Dir lähmt meinen eig'nen Mut.
Ich kann nicht, wie die schlechte Schildwach' tut,
vom Platze fliehn, darauf Du mich gestellt.

Erlöse Herr dies Herz, des Sturm nicht ruht.
Heb mich aus Nacht, die Höllenglanz erhellt,
entrücke mich der Qual, der ich gesellt.
O Herr und Gott, ich diene Dir nicht gut.

Zerschmettert kann mein Geist sich nicht erheben,
der einst des Mitleids Kraft von Dir empfing.
Wie soll ich andern Trost und Wärme geben,

von Dir verlassen, kläglich und gering?
Du nahmst den Liebsten mir, mein ganzes Leben, -
und forderst, daß ich lebe, da er ging.