Sonett-Forum

Normale Version: Frage und Klage der Sehnsucht
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Frage und Klage der Sehnsucht

I.

Luna, du bist einst hinabgestiegen
Aus dem ewigheitern Göttersaal,
In des Tmolus süßverborgnem Thal
Irdisch bei Endymion zu liegen?

Leuchtet das unsterbliche Vergnügen,
Das dem Himmel seine Flammen stahl,
Durch der langen Wehmuth stillen Strahl
Nicht zuweilen noch in hellern Zügen?

Luna, deine Lieb’ ist hingegangen,
Und dein holdes Antlitz geht erblaßet
Durch die feuchten Nächte um.

Rede, Göttin mit den bleichen Wangen:
Blüht nicht unten, was dich einst umfasset?
Blühet im Elysium?
II.

Wohl viele sind durch Liebe hoch gepriesen,
Der Thracier, der mit dem Saitenklang
Den kalten Orkus selbst zu Thränen zwang,
Und der, dem Hero durch das Meer gewiesen.

Noch klinget auf der Sorga Rosenwiesen
Dem Enkel oft der Laurische Gesang,
Noch weinet manches Auge süßen Dank
Des Mitleids Abelard und Heloisen.

Und sie, die frommste aller frommen Frauen,
Die durch die Liebe alles überwand,
Geht ohne Lieder in des Orkus Grauen?

O schlüge doch die Leyer meine Hand
Wie der, so vor dem Schattenkönig stand!
Dann sollten Engel sich in ihr beschauen.