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Normale Version: Der Bund, oder Amor und der Dichter (9)
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Der Bund, oder Amor und der Dichter


1.

Wer glaubt, daß ich ein Schäfer bin gewesen?
O zweifelt nicht! Wer je die Laute schlug,
Der machte nach dem Schäferland den Zug,
Sich dort die schönsten Blümchen zu erlesen!

Und will von düstrem Gram' ich oft genesen,
So überlaß' ich mich dem Selbstbetrug',
Und wage nach Arkadien den Flug,
Zu den geliebten, ewig holden Wesen! -

Ich schleiche forschend mich zur stillen Hütte,
Und poch' am Fensterchen mit leisem Finger.
(So will's in trauter Nacht die fromme Sitte!)

Da naht mir schnell der lose Freudenbringer!
Ihr kennt ihn wohl! Es ist ein schöner Knabe,
Und reicht mir lächelnd manche süße Gabe! -


2.

Da lächelt er und neckt mit tausend Scherzen
Den Leiermann, der nach den Mädchen fraget.
"Ei, suchst du Linderung für deine Schmerzen?
Ein Thor, der zaghaft steht und bänglich zaget."

"Sieh, drinnen flammen traulich dir die Kerzen!
Willkommen ist der Kühne, der was waget.
Ein jeder Gast darf meine Mädchen herzen,
Der schlau der Liebe stillen Kummer klaget."

Was soll ich zaudern? Seine Fackel lodert,
Es facht sein Flügelpaar die Kerzen an,
Die seine Mädchen schelmisch abgethan.

Ich bin zum Lieben wieder aufgefodert,
Die Thüre knarrt - ich schlüpfe schnell hinein,
Und aus dem Dunkel wird ein Sonnenschein! -


3.

Horch, wie sie kichern! "Seht, der Leiermann
Ist liebekrank! Gewiß, er will was singen!
Und sollt' er Gold und lauter Perlen bringen:
Für heute nehm' er rückwärts seine Bahn!"

Da greif' ich hurtig meine Saiten an!
Ich stimm' und stimm', es sollte mir gelingen,
Ich weiß, daß viel ich mit der Laute kann,
Umflattern mich des holden Knaben Schwingen. -

Ein neues Lied vermag ich nicht zu finden!
Was Liebe sich vor tausend Jahren sang:
Es dringet zu des Herzens tiefsten Gründen!

Und lustig tönt der Laute Silberklang!
Ihr Mädchen hört, ich komme heut zu lieben,
Bin euch zu Liebe nicht zu Haus geblieben! -


4.

Ich bin ein Schäfer, dem ein Liebchen fehlet,
Der sich aus Liebesschmerz zu Tode quälet!
Ach, hört mich nur, wem darf die Hand ich reichen,
Und welcher darf ich sanft die Wangen streichen?

Ich zog hieher, von Liebeswahn beseelet,
Und was ich fühle, sey euch nicht verhehlet,
Und ohne Mädchen will ich nimmer weichen!
Wer gibt zuerst der Liebe traulich Zeichen?

Ich bin ein Dichter! Dichter suchen Mädchen,
Denn ohne sie verglüht des Sanges Lust:
Sie spinnen ja so leicht die Lebensfädchen,

Und sie entflammen nur des Sängers Brust;
Wenn sie der Mann in seinem Arme wieget,
Und träumend auf dem Blumenbette lieget! -


5.

Und schalkhaft spannt der Knabe seinen Bogen,
Und lauschet nach der Mädchen ängst'gen Blicken,
Leis' flüstert er: "bald sind sie dir gewogen! -
Nach welcher soll ich diesen Pfeil abdrücken?"

Schnell haben sie das Feuer eingesogen,
Es leuchtet auf in seligem Entzücken,
Rasch ist der Pfeil zur Mitte hingeflogen,
Der Schönsten spröde Sinne zu berücken.

Und seufzend langt sie auf des Pfeiles Spitze,
Und schaut den Sänger wonnetrunken an. -
Nur leicht verwundet ist sie - eine Ritze

Ist sichtbar auf des Busens zartem Schnee.
Sie taumelt zwischen Lust und süßem Wahn,
Und trägt so sanft der Liebe erstes Wehe!


6.

Wie jubelt da der Gott nach diesem Siege!
Hoch schwingt er seinen Bogen und es schlagen
Die Flügel! - "Sieh, so führ' ich meine Kriege,
Und Tausend folgen meinem Siegeswagen!"

Da kos't ich wiederum mir zu Genüge;
Ich schwelgte, wie in meines Lenzes Tagen! -
Weh! wenn ich nicht die Laute bei mir trüge -
Ich müßte längst der Liebe Glück entsagen!

Und Glut entströmt dem leicht bewegten Finger,
Der flüchtig durch das Gold der Saiten rauscht.
Ich fühl' es selbst, es hat der Herzbezwinger

Mit Liebeswahn und Taumel mich berauscht.
Die Laute will dem Arme nun entsinken -
Und duldsam folg' ich selbst des Gottes Winken!


7.

So lebt der Dichter mit dem Gott im Bunde,
Der allgewaltig überall regiert!
Und Einer braucht den Andern zu der Runde -
Und hoch willkommen nennt sie jeder Wirth;

Entströmet honigsüß das Lied dem Munde -
Wo Amor nicht den gold'nen Bogen führt,
Erscheint dir nicht des Glückes schöne Stunde,
Und fruchtlos hat der Dichter hingegirrt.

Doch ist auch seine Götter-Macht vergeben,
Wenn nicht der Sänger aus der Saiten Gold
Der Freude unbesiegten Zauber holt! -

Gesang und Liebe müssen sich verweben!
In Eins verschmolzen - ist der Sieg gewiß,
Und auf der Erde blüht das Paradies! -


8.

Und lustig flattert Amor auf und nieder,
Und furchtsam schmiegen sich die Mädchen alle. -
Aus meiner Laute wogen süsse Lieder
Von Amors Macht und seiner schlauen Falle!

Und Jedem klopft er schelmisch auf das Mieder,
Damit der Busen um so höher walle,
Und neues Leben zuckt mir durch die Glieder,
Und selig bin ich in der kleinen Halle,

Wo ohne Prunk ein Lämpchen nur erhellet
Den stillen Raum, von Hirtenvolk bewohnt,
(Des Dichters heiß ersehnte Friedenswelt!)

Denn wo das Schöne still bescheiden thront,
Da zieht er ein mit seiner Laute Tönen,
Die Stirne mit der Myrthe sich zu krönen! -


9.

Ihr grollt mir nicht, daß ich ein Schäfer war!
Noch immer wandl' ich mit dem krummen Stabe;
Und treff' ich ein geliebtes, zartes Paar -
So theil' ich schnell mit ihm des Glückes Gabe!

Und werd' ich eine Leidende gewahr:
Der Töne Balsam biet' ich ihr zur Labe,
Und hurtig führ' ich sie zum Brautaltar -
Mir flattert nach der lose Götterknabe! -

Denn ew'gen Bund hab' ich mit ihm geschworen,
Er ist bei mir und wird mich nimmer meiden.
Wir haben uns zu gleichem Dienst erkoren;

Und sollt' ich einst von dieser Erde scheiden -
Den alten Dienst muß ich in Eden üben;
Ich darf nur singen und - die Mädchen lieben!


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