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Normale Version: Günther, Johann Christian: Sonett an Herrn C. G. Birnbaum,
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Johann Christian Günther  
1695 – 1723

Sonett an Herrn C. G. Birnbaum,

Mathem. et Philos. Studios. in Leipzig,
bey dem Antritt des 1718. Jahres



Du ungeschminckter Freund bedarfst der Wüntsche nicht,
Die Schein und Heucheley an Ort und Tage binden;
Die Tugend weis vor sich mehr Glück und Heil zu finden,
Als immermehr ein Kiel erlogner Treu verspricht.

So wahr du Warheit liebst, so wahr verflucht die Pflicht
Von meiner Redligkeit dergleichen Modesünden.
Die Reime, so sich jetzt nur dir zu Dienste winden,
Bedencken blos das Band, woran die Freundschaft flicht.

Dein Geist erlangt bereits das höchste Gut auf Erden;
Was ihn vergnügen kan, das steht in deiner Macht.
Doch da wir auf die Welt auch Leiber mitgebracht,

Die sonder unsre Schuld gar leicht getrofen werden,
So glaub ich, (pflegt ein Gott die Inbrunst einzusehn,)
Durch beygefügten Wuntsch sey nichts umsonst geschehn.


Sechzehnzeiliges Sonett an Eben Denselben

Mein Daphnis, meine Lust, mein Trost, mein Jonathan,
Dem ich, o könt es seyn, mein Leben gern verschriebe,
Mit dem ich Tag vor Tag mich in der Weißheit übe,
Auf deßen Freundtschaft ich das Unglück trotzen kan,

Ja, der mir jetzt mehr Guts als ich mir stets gethan,
Sind die in dieser Brust dir eingeweihten Triebe
Mir nicht viel köstlicher als brünstge Frauenliebe,
So greife mich der Zorn des höchsten Wesens an.

Hoch schwör ich durch den Kiel, noch höher in Gedancken,
Die Treue schliest sich hier in sechzehn Zeilen ein.
Allein mein reines Herz erlaubt mir keine Schrancken
Und läßt mich wenigstens hier keinen Dichter seyn,
Weil ich, du siehst es selbst, mit niedrigem Gesange
Durch die mit Fleiß versäumte Kunst
Nur eines einzgen Birnbaums Gunst
Mehr als den ganzen Wald des Helicons verlange.



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