Sonett-Forum

Normale Version: Oberdieck, Wilhelm: Aeolsharfe
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Aeolsharfe


In mancher Brust wohl ruht die gold’ne Saite,
Die in sich trägt des Lied’s geheime Wogen;
Die jedem Reiz empfindlich angezogen,
Des Hauch’s nur harret, der darüber gleite.

Und sieh, da regt sich’s, wie zu holdem Streite!
Bald mild und stärker in der Leyer Bogen,
Wie Hauch des Frühling’s hör’ ich’s ziehn und wogen,
Und horch! zu Wunderklängen schwillt die Saite.

Doch ach! was ist’s, daß ungestüm und bange
Der Ton erbebt, und rauscht die Luft, die linde?
Der Zephyr wächst zu wilden Sturmes Drange.

Ob auch der wunderbare Ton nicht schwinde,
Wohl lausch’ ich ängstlich nach dem letzten Klange –
Die Leyer doch, sie ist verstummt im Winde.