Sonett-Forum

Normale Version: Die schwersten Tage (2)
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Heinrich Greif
1907 – 1946


DIE SCHWERSTEN TAGE

I.

Ich wäge die Minuten, da ist keine,
In welcher nicht ein Deutscher fällt und stirbt.
In meinem Land — es war einmal das meine —
Ist keiner, den der Tod heut’ nicht umwirbt.

Und weiß ich auch, mein Volk geht nicht zugrunde,
Es schüttelt ab den Krieg,- der an ihm würgt,
So frage ich mich doch in dieser Stunde:
Ist meines Volkes Ohr mir noch verbürgt?

O darf ich, den in Deutschlands schwersten Tagen
Der neu erworb’nen Heimat Macht umhegt,
O darf ich wohl die wilde Hoffnung wagen,
Daß einst, was mich bewegt, mein Volk bewegt?

O schlägt die Zeit wohl jemals eine Brücke
Vom Unglück meines Volks zu meinem Glücke?


II.

Wie sagtest Du? In Deutschlands schwersten Tagen?
Die schwersten Tage stehen noch bevor.
Die schwersten Tage wirst Du mit ihm tragen.
Und willig leiht Dir dann Dein Volk sein Ohr.

Bewahre Dich für diese große Wende
Und sei im rechten Augenblicke da.
Behalte klaren Kopf und saub’re Hände.
Ist Dir Dein Volk auch fern, Du bist ihm nah.

Du mußt nicht jeden Umweg mit ihm gehen.
Und scheint Dir auch, es ginge von Dir fort,
Es sieht Dich schon in seiner Zukunft stehen
An dem Dir zugedachten rechten Ort.

Wenn Eure Wege ineinanderfließen,
Beginnt aus schwersten Tagen Glück zu sprießen.