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Normale Version: Sonette aus Wälsch-Tirol (35)
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Sonette aus Wälsch-Tirol

I.


Ich schlug sie auch, die Weltschlacht der Gedanken ,
Und zog voran dem siegestrunk'nen Heere
Auf wimpelreichen Schiffen in die Meere,
Und rief den Feind laut höhnend in die Schranken.

Des Liedes Blume und des Wissens Aehre,
Mein ganzer Reichthum lag auf jenen Planken,
Und jene stolz beflaggten Schiffe fanken,
O, daß auch ich damit gesunken wäre!

Zu deinen Füßen hat sie mich getragen
Die räuberische Welle, der ich grolle,
Indem sie fragte, ob ich leben wolle.

Du aber hast die Augen aufgeschlagen
Kornblumenblaue Augen, nicht zu fragen,
Nein zu befehlen, daß ich lieben solle.


.

.

II.

Ich liebe dich , du kannst die Stunden fragen,
Die aus der Schmerzen tiefsten Brunnenstuben
Dein strahlend ' Bild an's Licht des Tages huben ,
Ich liebe dich , und kann dir doch entsagen.

Ich sah den Geist in schnöde Fesseln schlagen,
Die Männer sah ich, die ihm Gräber gruben,
Ich habe keinen Haß mehr für den Buben,
Des' Hände schmeichelnd in den deinen lagen.

Du kannst auf seinem Schooße mit ihm scherzen,
Den ungestümen Gläubiger mit Küssen
Vor meinen Augen klingend ausbezahlen;

Denn es gehört ja zu des Künstlers Schmerzen ,
Die ganze Seele in ein Bild zu malen ,
Und sich dann ewig von ihm trennen müssen



.

.

III.

Kein flüsterndes Gespräch, kein Händedrücken,
Auch keine Küsse und dergleichen Sachen
Gibt's zwischen uns, zwei Ufer ohne Nachen,
Zwei ferne Ufer sind wir ohne Brücken.

Verbunden nur mit stummen Liebesblicken,
Das sind die Schwalben, die die Boten machen,
Beladen mit dem sinnenden Entzücken,
Mit dem die Mütter ob den Kindern wachen.

O halt', des Herzens Knospe unter'm Riegel,
Und wach' und bete, daß das füße Siegel
Sich nie von unserem Geheimniß schält . . .

Denn ist die Rose einmal aufgebrochen
Und ist die Liebe einmal ausgesprochen,
So sind auch ihre Tage schon gezählt.


.

.

IV.


Von meinen Bergen will ich zu dir sprechen,
Erzählen dir helldunkle Waldgeschichten
Von Heidelbeeren unter schlanken Fichten,
Und von den wilden Rosen an den Bächen;

Vom grünen Eise neben Blumenflächen,
Von Lilien, die auf die Felsen flüchten,
Zum kühnsten Jodler will ich Lieder dichten
Und mit Gefahr das Edelweiß dir brechen.

Du aber sollst Jfera mir kredenzen,
Frühfeigen pflücken mit den weichen Händen
Und mir das Haupt mit Mandelblüthen kränzen;

Und rufen wollen wir bis an die Grenzen,
Wie groß Tirol und seine Männer ständen,
Wenn so wie wir sich Nord und Süden fänden.


.

.

V.

Ein Volk von Communisten sind die Reben
Italiens; bei uns, fest an der Stange,
Weiß keine von dem socialen Hange,
Der ganzen Welt den Bruderkuß zu geben.

Schau' dich nur um, welch' zügelloses Leben!
Die einen klettern auf den Baum, die Wange
Des Pfirsich's suchend, während frei vom Zwange
Die andern wie die Kinder schauckelnd schweben;

Und wieder and're liegen an dem Bach;
Was kümmert's mich ? doch jener Rebenranke
Stell' ich schon lange eifersüchtig nach,

Die sicher, daß sie niemand darum zanke,
Und die verwegener als mein Gedanke,
Bei Tag und Nacht dir sieht in's Schlafgemach.



.

.

VI.

Mit deines Fächers marabut'nen Schwingen
Wirst du den Brand in diese Lüfte jagen ,
Die beider Indien Wohlgerüche tragen,
Und mir die Adern noch zum Sieden bringen.

Mach' zu den Fächer! und ich will dir sagen,
Womit des Südens Gluthen zu bezwingen:
Aus deinen Locken laß ein Zelt mich schlagen,
Wohin nicht soll der Strahl der Sonne dringen.

In deines Auges blauen Alpensee
Laß stürzen mich und mit dem Himbeer-Eis
Frisch aus dem Becher deiner Lippen laben,

Und meine Stirne , die wie Lava heiß ,
Laß in dem reinen , unbefleckten Schnee
Auf deiner vollen Schulter mich begraben.



.

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VII.


Ich bin ein Patriot, so gut wie Jeder,
Der einen Spizhut trägt und grauen Loden,
Ich hab ' ein sinnig ' Aug ' für eure Moden
Und lieb ' den Trotz von einer Spielhahn - Feder.

Doch scheidet nicht das Land nach Zwilch und Leder
und theilt es nicht nach Mais- und Roggen - Broden ,
Mit gleicher Brunst küßt den Tiroler - Boden,
Olivenwälder oder Alpenmähder.

Ich sah im Süden oft das Nadelholz
Demüthig nach Orangenblüthen langen,
Und war solch' weißes Rosenkind gefangen,

Sah ich den trotzigen Germanenstolz
In diesen rauhen, nordgebornen Stangen,
Wie er in süßer Lust zusammenschmolz.


.

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VIII.


Es wird wohl keine Landschaft , es wird kaum ,
So weit du wanderst , eine Fernsicht geben ,
Wo nicht allein und einsam steht ein Baum,
Im Feld , im Sand , im Meer , wo eben Raum

Für dieses eine abgeschied'ne Leben ,
Für dieses Eremiten stillen Traum.
Hier schläft der Rabe gern , indeß daneben
Die Raupen an der Auferstehung weben ,

Bis er gesucht vom Bliz , dem Himmelslichte,
Zum Himmel lodert im Gewitterregen.
Sie sprach zu mir : Kommt dir auf deinen Wegen

Ein Baum vereinzelt stehend zu Gesichte,
Sollst du die Hand im Geist in meine legen
Und denken: das ist unsere Geschichte.


.

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IX.


Einst werd' ich in dein Zimmer treten müssen,
Um dir das lezte Lebewohl zu sagen,
Das Lebewohl, die Nacht nach gold'nen Tagen,
Die Asche von den feurigsten Entschlüssen.

Und hat die halbe Stunde ausgeschlagen,
Gibst du vielleicht die Hand mir noch zu küssen,
Die Hand, die aus dem Himmel mich gerissen,
Und dann darf ich mein Leid von dannen tragen.

Geliebte, nein, so reiß' ich mich nicht los;
Wer jemals schön zu sterben hat gewußt,
Starb unter'm Himmel, Blumen in dem Schooß.

Geh ' ich von dir , sei's wie vom Leben , groß
Und stolz und glühend soll die lezte Luft
Wie eine Sonne fallen in die Bruſt.


.

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X.

Es steh'n zwei Fichten unter Maulbeerbäumen ,
Behängt mit langen , grünbefransten Tressen,
Die machten mich ein Liebesleid vergessen ,
Das Bilderbuch des Heimwehs zu durchträumen.

Ich seh die Berge , die mein Thal umsäumen ,
D'ran hängt der dunkle Nadelwald , indessen
Aus allen Dörfern unsere Cypreffen —
Die schlank gebauten Gothenthürme – keimen.

Der süße Melodientakt der Tannen ,
Der arbeitmüden Schnitterinnen Chor
Im Roggenacker schlagen an mein Ohr;

Und während rings der Berge Kuppeln brennen ,
Zieht eine Heerde klingend vor dem Sennen ,
Und weithin knallt des Schüßen Feuerrohr.



.

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XI.

Du sollst mir bei den Sternen nichts versprechen,
Die haben jede Lüge noch verschwiegen,
Nicht bei den Göttern, die den Meineid rächen,
So lang' sie selber nicht im Staube liegen. —

Nicht bei des Auges reichen Thränenbächen,
Nicht bei des Busens ungestümen Fliegen:
Die stolze Woge kann zusammenbrechen
Und jene süße Quelle kann versiegen.

Auf diese Veilchen schwör' mir deine Liebe,
Die du mir in ein Epheublatt gewunden,
Und die noch diese Nacht verwelken werden;

Doch jedes Jahr bringt einen Lenz auf Erden,
Dein Wort ist so in Veilchenduft gebunden,
Daß dich der Meineid aus dem Frühling triebe.



.

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XII.


Der Saal ist voll, ein junger Virtuos
Sizt schwarz gekleidet bei dem Kontrebasse ,
Die Geige ruht ihm schweigend in dem Schooß
Und reicht hinauf bis an die Stirn ' , die blaße ;

Jetzt fängt's zu tönen an, weich, wie in's Moos
Der Regen fällt aus voller Blüthentasse
D'rauf stürmt's und braust's , als wär ' in diesem Fasse
Voll Harmonie, die ganze Hölle los.

Der arme Mann , wie muß er ohne Rasten
Die Saiten dick, wie an der Schiffe Masten
Die Segeltaue, mit dem Bogen fegen . . .

Ich darf nur leise deinen Arm betasten ,
Nur meine Hand dir auf die Schulter legen,
Um Höll' und Himmel in mir aufzuregen.


.

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XIII.

Denk' meiner heute Nacht bei'm bal paré,
Drück' mir die Hand im Geist bei der Quadrille,
Und meiner Liebe unnennbares Weh
Horch' aus des Walzers Melodienfülle.

Du schweigst? In deinem Busen kämpft der Wille,
Und schaukelt leise die Camelie · -
So schläft der Schwan im Schilf, indeß der See
Schlägt unter ihm die Wellen in der Stille.

Nicht ja, nicht nein; doch etwas ist gewiß,
Daß And're ihre Arme um dich schlagen
Und deines Mundes süßen Athem schlürfen,

Und daß ich ferne bin; bedenke dieß,
Daß And're dich in ihren Armen tragen
Und deinen süßen Athem trinken dürfen.


.

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XIV.

Gepreßt im Buche liegt schon viele Wochen,
Ach Monde sind's , dein reicher Frühlings - Strauß ,
Gealtert , seine Blätter irr und kraus ,
Die vollen Rosen schrecklich eingebrochen.

Was flüstern sich die Leichen zu ? Was pochen
Sie an die Wand und rufen aus dem Haus :
Du lösest einmal - hast du es versprochen
Die Hochverräther deines Herzens aus !

Ihr armen Blumen ! wißt , was wir empfanden ,
Als wir euch prangend in den Wiesen fanden ,
War voller Duft , wie ihr , und wahr und echt ;

Indessen ist ein anderes Geschlecht
Im Wald und Felde blühend aufgestanden,
Und ach, nur das Lebendige hat Recht.


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XV.

Mir träumt, wir sind zusammen auf dem Wege,
Es schäumt die Milch des Wildbach's in der Tiefe
Und unbeweglich sitzt, als ob er schliefe,
Der Rabe oben auf dem Dorngehege.

Im Roggenfeld! voll Blumen prangt das schiefe
Halbfaule Kruzifix; dort über'm Stege -
Gib Acht , er schwankt — da glänzt das Rad der Säge ,
Als ob's von Diamantenschaufeln triefe.

Im Wald! die Föhre strickt voll Emsigkeit
Mit ihren langen Nadeln an dem Netze,
Mit dem sie eben einen Stern gefangen.

Du und der Stern: das sind die gold'nen Schätze,
Die sorglos eine Nacht gefangen hangen,
Weil sie der nächste Morgenstrahl befreit.


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XVI.

Kommt dem Araber plötzlich auf den Wegen
Im Atlas-Thal ein Löwe zu Gesicht,
Steigt er vom Pferde, geht ihm kühn entgegen
Bis auf zehn Schritte, sieht ihn an und spricht:

Gewaltiger! Ich bin kein feiger Wicht ,
Mein Blut ist edel und mein Arm verwegen ,
An keiner bessern Brust bist du gelegen
Und was dir gleich ist , das berührst du nicht.

Der Löwe weicht, daß er den Weg nicht hemme,
Hätt' er in ihm gefunden eine Memme,
Wär' er dem Roß gesprungen in's Genick.

Dem Löwen gleicht das drohende Geschick,
Denn stolz und groß weicht es vor dem zurück,
Der Muth hat, ihm entgegen sich zu stemmen.


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XVII.



Die Lichter auf dem Wasser sind verglommen
Und leise tönt das Nachtlied der Cicade,
Nur über Einen ist die volle Gnade
Des zauberreichen Himmels nicht gekommen.

Denn einsam und verdrossen und beklommen
Sieht nieder von der Brücken-Ballustrade
Ein heimwehkranker, deutscher Kamerade,
Als wär' ihm all' sein Glück davon geschwommen.

Ich sprach ihn an: du brauchst dich nicht zu schämen,
Denn werth der Thränen ist die Muttererde,
Doch giebt es auch Arznei für dieses Grämen:

Du sollst, daß dir ein Ort zur Heimat werde,
Und du nie Fremdling bist am fremden Herde,
Die Götter, wie Aeneas, mit dir nehmen.


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XVIII.


Ich habe etwas Größ'res als die Frau
Indir geliebt : die Allmacht , die dir eigen -
Der Erde Frühling schien mir kalt und grau ,
Da kamst du , mir das Paradies zu zeigen.

Zum erstenmal fand ich den Himmel blau ,
Verstand des Wald's geheimnißvolles Schweigen ,
Und sah die Engel mit dem Morgenthau
Auf Sonnenfäden auf und niedersteigen.

Nun uns 're Lieb ' ist in den Grund gehagelt ,
Möcht ' in den Grund das Paradies ich stampfen ,
Doch seine Lichter sind so tief genagelt,

So fest hält jeder Grashalm seine Fackel,
Und alle Blumen beten und verdampfen
Den Weihrauch vor dem leeren Tabernakel.



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XIX.


Es wundert dich mein Schweigen und mein Sinnen?
Du kannst dem Felsen süßes Wasser geben
Wie der Profet, kannst aus verbrannten Reben
Den rothen Wein, des Liedes Quell, gewinnen.

Du brauchst ja nur die Schleußen aufzuheben
In meinen trock'nen Augen, daß nach Innen
Der Thränen Ströme in die Wüste rinnen
Und all' den Moder färben und beleben.

Der Mittag glüht - die welken Rosen neigen
Die Stirnen kronlos und die Wälder schweigen,
Bis Abends Thau vom Himmel ist gesunken -

Nun sprüh'n der Rosen Diademe Funken
Und laut und lauter schallt es aus den Zweigen,
Als hätte jedes Blatt ein Lied getrunken.



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XX.

Schön wie der Griechengott, der junge Pan,
Steht angebunden in dem Eichenhaine,
Das Haupt umstrahlt vom lezten Abendscheine,
Der Christen Jüngling Sanct Sebastian.

Und vor ihm auf den Knien kauert Eine
Sein Liebchen ist sie wohl, - man sieht ihr's an,
Hier wurde ein Entsetzliches gethan,
Und zieht den Pfeil aus seinem nackten Beine.

Ich hab ' dich oft vor diesem Bild gefunden ,
Du schienst zu beten , doch dein Aug' verrieth,
Was du , dieß Bild ansehend, hast empfunden.

Du kennst noch Einen, eben so gebunden,
Der Pfeile Ziel, und Eine, die da kniet
Und ihm das Eisen aus der Wunde zieht.


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XXI.


Kannst du die Eiche, sprich, des Sturm's Ergötzen,
Des Ruhmes Liebe und des Donners Braut,
In einen Topf vor deine Fenster setzen,
Wie irgend ein gemeines Küchenkraut?

Willst du von ihren Sängern einen Laut,
Ein einzig' Blatt von ihren grünen Schätzen,
Mußt du hinaus und dir den Fuß benetzen,
Wenn es dir auch im dunklen Walde graut.

Du sollst nicht sagen, daß ich dich betrogen!
Ich stehe fest für eine Ewigkeit,
Gewurzelt in dem Haß und in der Liebe;

Dir aber war der Weg zu mir zu weit,
Und alles wohl ermessen und erwogen
Schmeckt doch die Eichel herber als die Rübe.


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XXII.

In Waffen steht die Welt zum Kampf gerichtet,
Der Streit ist los, den ein Jahrtausend spann,
Der Streit, der nicht mit Worten wird geschlichtet,
Der Streit, der nur verblutet werden kann.

Wer hat das neue Babel aufgerichtet ,
Wo nur die Sprache gilt, und nicht der Mann?
Wohin hat sich die Liebe denn geflüchtet,
Daß alles Blut in Haß zusammenrann?

Es steh'n im Süden tief ein Dutzend Linden ,
Da war's , wo ich die Liebe plötzlich fand ,
Die Flüchtige, die Wenige mehr finden.

Sie hielt die Augen halb zu mit der Hand,
Denn säh ' sie ganz hinaus in's kranke Land ,
Müßt ' von dem vielen Weinen sie erblinden.


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XXIII.

Was soll ich mich in Sack und Asche kleiden,
Mit Thränen die verlor'ne Lieb' benetzen,
Um das zu können, müßt' zu meinen beiden
Gott noch zwei Augen mir in's Antlitz setzen.

Da steht ein Vorbild, das Gebirg, dem schneiden
Sie auch die Haut, die blühende, zu Fetzen,
Daß sich die Adler flüchten mit Entſetzen,
Und wühlen ihm in seinen Eingeweiden.

Doch, was sie auch Entsetzliches gethan,
Wie tief sie ihm auch in das Herz geschnitten,
Des Dulders Stirn' ist rein und hell geschliffen,

Und gerne legt des Himmels weißer Schwan,
Die Wolke, dort am späten Abend an,
Um Morgens vor der Sonne herzuschiffen.


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XXIV.


Wir müssen scheiden , wohl , so sei's denn heute,
Doch bind das Opfer lächelnd an den Pfahl ,
Und gib dem mörderischen Wurm der Qual
Den Pfirsich deiner Wange nicht zur Beute.

Geh' nicht wie And're auf den Markt und läute,
Die Augenlieder roth, das Antlitz fahl,
Und in dem Busen des Verräthers Stahl,
Zusammen die verleumderische Meute.

Sei du der Baum , der seine Blüthen rein
Dem Winde lieber gibt , als abgelesen
Im Herbst zu werden dann mit Stock und Stein

Und deine Seele wird alsbald genesen,
Und was noch heute dunkler Schmerz gewesen ,
Wird morgen eine lichte Perle sein.


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XXV.


So reiche sie denn her, die gold'ne Leier,
Der Vogel ist entflogen aus dem Bauer,
Denn schweigt das Lied und lischt der Sonne Feuer,
So geht durch die Natur ein kalter Schauer.

Die unbefleckte Lilie trägt Trauer,
Die eitle Tulpe geht im Nonnenschleier
Und in dem grünbewachsenen Gemäuer
Der Berge sitzt die Eule auf der Lauer.

Hier, wo der Wind Orangenblüthen säet,
Wo der Cypresse unbekannter Kummer
Gleich einem Schatten durch den Garten geht;

Hier will ich singen, wo die Myrthe blüht
Und durch der Rose jungfräulichen Schlummer
Der süße Traum der ersten Liebe zieht


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XXVI.

Wer malt dein süßes Lächeln? leichter wäre
Der Sonnenstrahl zu malen , wenn die Schatten
Er jagt im Wald und auf den Alpenmatten
Und steckt die gold 'nen Nadeln in die Aehre.

Du hast den Mai mir angelacht. Ich kehre
Hinweg den alten Schutt, grab' mit den Spaten,
Die unberührt schon lang gelegen hatten,
Und schneid ' den Frühwuchs mit der Gartenscheere.

Sie sagen , weil die kalten Nebel liegen
So tief im Thal und jedes Herz verschneien,
Könn' uns'res Liedes Blume nicht gedeihen.

Aus deinem Aug' ist Licht genug zu kriegen
Und was nicht wachsen und gedeihen will im Freien,
Daß muß in einen Blumentopf sich schmiegen. -


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XXVII.

Ich steh' so nah' an deines Sessels Lehne,
Doch ist's nicht möglich bei dem Schein der Kerzen,
Im vollen Saal', wie sehr ich mich auch sehne,
Verbot'ne Worte dir in's Ohr zu schwärzen;

So viele Augen schauen in die Herzen,
So viele Lichter strahlen in die Thräne
Und aus dem Busen vor das Thor der Zähne
Wälzt sich der Barrikadenbau der Schmerzen.

Laß mich den Arm um deine Mitte schmiegen,
Daß mir dein Athem und des Walzers Weise
Das wilde Herz in süße Ruhe wiegen.

Ein räthselhaftes Glück liegt in dem Kreise:
Frag' über'm Teich die Schaar der Wasserfliegen
Und die Planeten auf der Sonnenreise.


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XXVIII

Gedankenvoll steht sie auf der Altane,
Verklärt vom Abendglühen, der Jasmin
Um ihre Locken flattert weiß und grün,
Als ständ' sie da mit der Tiroler-Fahne.

Im Garten aber , wo die Blumen blüh’n
Reicht einem Stern , auf unsichtbarem Kahne
Am Himmel schiffend , eine Tulipane
Den hellen Amethisten-Becher hin.

Und nieder fällt der Stern im raschen Lauf
Und geht im Kelch der Tulipane unter,
Daß er auflodernd flammt wie der Karfunkel.

O, du mein Stern in meines Lebens Dunkel ,
Kannst du wie der Gefall'ne nicht herunter ,
So laß in deinen Himmel mich hinauf.


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XXIX.

Ob ich auf Erden etwas liebe mehr
Und inniger als dich? das Lied, das Licht?
Das bist ja du, fehlt mir dein Angesicht,
So ist es stumm und dunkel um mich her.

Doch einen Wunsch gibt's, dessen Wiederkehr
In jede Lust mir scharfe Dornen flicht,
Ein Eiland auf des Lebens wüstem Meer,
Das unnennbare Seligkeit verspricht.

Sprüh aus den Augen dunkelglühend' Erz,
Leg' auf die Wangen der Granate Roth,
Und lächle, um die Engel zu verführen:

Doch gäb' heraus ein Opfer nur der Tod
Und müßt' in dieser Stund' ich dich verlieren
Ich stürzte weinend an das Mutterherz.


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XXX.

Du willst, daß von Isera ich erzähle,
Die liebste meiner kleinen Wanderfahrten,
Da gab es Trauben, edle Feigenarten,
Kastanien mit weißem Zuckermehle.

Und auf dem Kirchhof bei den Eingescharrten
Da war ich auch, und sah, ob keiner fehle,
Hinaus zu hängen seine arme Seele
In dieses Thales schönen Rebengarten.

Die Etsch lag wie ein Silberband im Grünen ,
Die Kalkgebirge glänzten wie Rubinen ,
Und aus der Kirche tönte weich das Credo.

Merk' dir, im letzten Willen zu testiren,
Daß sie dich nach Isera's Kirchhof führen,
Nicht in den feuchten Sand von Roveredo.



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XXXI.

Was sie im Wahn den Tod der Liebe nennen ,
Ist nur ein Schlaf , so leis und federleicht ,
Daß ihn vom Aug ' ein Mückenflügel streicht,
Und ihn hinweg die kalten Sterne brennen.

Selbst in dem Schmerz, in dem sich Herzen trennen,
In diesem Boden warmer Thränen feucht
Liegt der Erinn'rung Same aufgeweicht,
Daß sie sich ewig nicht vergessen können.

Wohl heilt die Zeit und was wir einst gelitten,
Ist Frevel fast vor dem Gesetz der Sitten,
Und vor der Pflichten angewöhntem Band.

So hat doch jedes Wolkenkind, geschnitten
Der Art, wie es an unser'm Himmel stand,
Den Hammer deines Herzens in der Hand.


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XXXII.

Ich lieb' dich in der Wahrheit und im Geiste,
Mich kann dein Käufer nicht vom Kaufe trennen,
Die Thaler leuchten, und die Lippen brennen,
Jung, schön und reich , wer bietet d'rum das Meiste?

Dein Aug' ist eine Waare , denn sie nennen
Und wägen dich nach ihrem Krämerleiste ,
Wo die Natur die Berge nicht beeiste,
hat sie mit Frost die Herzen panzern können.

Kommt einst dein Bräutigam und zählt die Säcke,
Bewundert deine Reitz' , oh so verstecke
Nur eins , und gib ihm's nicht , ich mein' - die Zähre ;

Sie trägt nicht Zins , nützt ihm zu keinem Zwecke,
Welch ' Werth, seufzt er in dieſem Solitaire
Wenn , hol's der Teufel , es nicht Wasser wäre.


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XXXIII.

Du hörst mein Lied mit Zittern ob den Zungen,
Die oft schon giftig deinem Ohre nahten:
Verblendete! Du hast dein Land verrathen
Und einem fremden Liede dich verdungen.

Barbarentöne, wie sie einst geklungen,
Als uns'rer Freiheit goldgeschwellte Saaten
Die Hufe deutscher Rosse niedertraten,
Und uns'rer Städte Kronen sind gesprungen.

So geht hinaus nach Frankfurt an den Main,
Verkündet keck den Herr'n vom Bundestage,
Daß ihr nicht wollet deutsche Männer sein.

Dabei gewännen Alle ohne Frage,
Das junge Deutschland stirbt nicht an dem Schlage,
Das deutsche Lied nicht an der Liebe Pein.


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XXXIV.

Ich war schon öfter in Geſellſchaftssälen,
Da saß von jedem Manne streng geschieden ,
Ein halbes Dutzend Mädchen , scheu in Frieden ,
Sich ihre neuen Kleider vorzuzählen.

Kein freies Wort darf in den Kreis sich stehlen ,
Was Frauenherzen hebt und was zum Sieden
Die Wangen bringt , wird wie das Gift gemieden ,
Die Mädchen sind nur da, sich zu vermälen.

Was braucht das Weib auch seinen Geist zu adeln ,
Der Mann hat Geld und alte Wappen - Briefe,
Die Poesie macht Ketzer nur und Narren.

Wenn ich nur auch das Nichtsthun so begriffe ,
Wie diese Frauen mit den Strickstrumpfnadeln
Und diese Herren mit den Lang - Zigarren.


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XXXV.

Kaum daß des Liedes Flügel sich entfalten,
Läuft's in die weite Welt, oft mit der Schale
Noch auf dem Kopf; in welchem grünen Thale
Wird dieß Sonett den ersten Rasttag halten?

Vielleicht am Passerstrande bei der alten
Burg von Tirol? Dort sitzt ein Freund beim Strahle
Des Abendstern's, Terlaner im Pokale,
Und ruft der Vorzeit eiserne Gestalten.

Er ruft dem Friedrich mit der leeren Tasche,
Dem Wolkenstein, dem Freundsberg und dem Hutten,
Doch keiner kommt - nun Freund, so trink die Flasche

Der Zukunft zu, dem Phönix jener Asche,
Der steigen wird aus den verborg'nen Gluthen,
Wenn wir's am allerwenigsten vermuthen.


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