Sonett-Forum

Normale Version: Rechte Weihe
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Emanuel Geibel
1815 – 1884


Rechte Weihe


Kalt sind sie, kalt, und kalt ist ihr Gedicht;
Sie waren nie vom Hauch des Frühlings trunken,
Nie in des Gottes Melodie versunken,
Der durch die heil’ge Nacht vernehmbar spricht.

Auch fühlen sie’s, was ihrem Lied gebricht,
Und lassen zum Ersatz der Lebensfunken
Mit Schmink’ und Flittergold die Leiche prunken,
Mit eitlem Schimmer, der den sinn besticht.

Doch wen der Geist beseelet, unerschrocken
Verschmähen mag er, was der Markt erhebt,
Und dennoch, singt er, bleibt kein Auge trocken.

Dem Gotte gleicht er, den der Aar umschwebt;
Er schüttelt leise nur die dunklen Locken,
Und der Olymp und jedes Herz erbebt.



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