Sonett-Forum

Normale Version: Natur!
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1.

Natur! so oft genannt, und o so selten
Erkannt! „Und darf der Menich dich auch erkennen?‘
Ob er es darf? kaum wag' ich dich zu nennen
Vor ihnen, die den Seher Lügner schelten!

Die Gottheit spricht zur Menschenwelt durch Welten
Wo irgend Geyser sprüh’n, Vulcane brennen,
Vom Schnee der Anden bis zu den Ardennen,
Von Abyssiniens Gluth bis zu den Belten,

Ist jeder Kiesel Heiligtum und Bildniß. —
Glückselig, wer das faßt und das empfindet!
Die Stürme kofen ihm, ihm lacht die Wildniß,

Und wenn sein Staub dem Staube sich verbindet,
Entblühn verwandte Pflanzen dem Gebeine,
Umhüllt es ein befreundetes Gefteine.


2.


Glückselig, wer, im Schooß der Apenninen,
Am Fuß der Alpen oder Pyrenäen,
Ein einsam Thal bewohnt! Es senden Feen
Die Geifter des Gebirgs aus, ihm zu dienen.

Aus Quellkrystallen locken ihn Undinen,
In feuchten Klüften schwätzt er mit Pygmäen,
Und von den Höhn, wo Küfte Troftes wehen,
Blickt er beruhigt auf des Gluͤcks Ruinen.

Wo keine Berge find, da hat das Auge
Kein Hochgebild, woran es fest sich fauge,
Kein Echo hallt die Sehnfuchtsfrage wieder;

Doch wo Cascaden, Schmerz betäubend, schäumen,
Da stimmt Fels, Wald und Strom in deine Lieder,
Und See und Bach und Wiese hilft dir träumen.


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