Sonett-Forum

Normale Version: Sonett von der toten Mutter
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Die bleiche mutter ist heut nacht verstorben
Wir weichen nicht zurück von ihrem lager
Von ihren toten wangen weiß und mager
In diesen zimmern sind wir groß geworden

Wo jetzt die grauen flammen dort am fenster
Dem glas mit ihren funken zeichen brennen
Wir müssen stark sein um nicht fortzurennen
Und in den ecken warten nachtgespenster

Der morgen kommt mit sonntagsglockenläuten
Die schwarzen männer ziehn mit ihren bräuten
und lachen laut wenn sie vorm priester stehen

Sie werfen rosenblüten bis zum morgen
(O wärn sie doch an deiner statt gestorben)
Wenn wir im leichenzug zum friedhof wehen
Hallo Jim,

Wie dein Text changiert zwischen Realismus und Fantasy-Motiven gefällt mir augesprochen gut.
Dennoch ein paar kleine Anmerkungen.
1: "Die bleiche Mutter ist verstorben"
Das bleich" soll vermutlich auf eine längere Krankengeschichte hindeuten. Die Mutter bekommt aber auch etwas unwirkliches, schemenhaftes, als sei es mehr eine metaphysische als eine leibhaftige Mutter. An der Stelle würde ich ein anderes Atribut wählen. "Die sieche Mutter" vielleicht.

2: "Wir weichen nicht zurück von ihrem lager"
ist ein vollständiger Satz, er zumindest mich dazu verleitet hat, die nächste Zeile als Beginn eines neuen Satzes zu lesen, was dann natürlich nicht aufgeht. Auch wenn es vielfach als "modern" gilt: Der Verzicht auf Interpunktion macht einen Text nicht unbedingt lesbarer.

Die Hochzeitsgesellschaft als Kontrast zum Lerichenzug ist ein starkes Motiv. Die Bilder "schwarze männer" "rosenblüten" sind beinahe holzschnittartig vereinfacht, aber deswegen keineswegs schlicht, eher auf eine symbolische Ebene überhöht. Das Glück der anderen, das scheinbar die eigenen Schmerzen verhöhnt, gefällt mir gut. Die Beschreibung trifft, auch ohne lange zu psychologisieren.

LG ZaunköniG
Hallo Jim,

schön, mal wieder von dir zu lesen.
Auch mir gefällt dein Sonett gut, vor allem der Ton, der traurig-wütend ist, ohne zu dick aufzutragen.
ZaunköniGs Kritikpunkte bezüglich der Interpunktion und "bleich" möchte ich unterstützen.

Was mir auch noch ein bisschen viel ist, ist das "laute Lachen" vor dem Priester. Das scheint mir zu grotesk.
Auch mit "Und in den ecken warten nachtgespenster" kann ich mich nicht ganz anfreunden. Durch "Und" wirkt der Vers angehängt, ich würde mir mehr Zusammenhang mit den vorausgehenden wünschen.

Insgesamt aber wirklich gelungen, finde ich. Schade, dass ich dich in meiner Erstheimat gar nicht mehr lese.

Liebe Grüße
yaira
hallo ihr beiden
ich danke euch sehr für die kommentare
und für die kritikpunkte
ich werd an hand derer das gedicht nochmal durchgehen.
Gruß
Roman
hallo jim-knopf, ich mag dein gedicht und kann mich auch gut reinfühlen (ich hab ähnliches bei der beerdigung meiner erlebt). was mir nicht so taugt ist der titel. das "von" würde mir nicht abgehen, oder vielleicht wäre sogar ein neuer, ein bildlicherer, titel besser, weil das gedicht ohnehin sehr klar ist. so was wie: "geburtstod" vielleicht. oder "bestattungsagape". wobei mir grad einfach nix besseres einfällt und man natürlich bei etwas derart heiklem sehr aufpassen muss. oder etwas à la: "verlebt", mit dem zusatz "an meine mutter".

lg, koni