Sonett-Forum

Normale Version: Morgen- und Abendroth
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Warum so schön, du holde Morgenröthe?
Verkündest nur des reinen Taglichts Nähe,
Und doch, indem ich deine Schönheit sehe,
Fürcht' ich die Sonne, daß sie dich nicht tödte.

Und wiederum, wann du als Abendröthe
Den Himmel zierst: mir ist, indem ich stehe,
Als ob empor die ganze Seele gehe,
Wie nie am Tag die Sonne mich erhöhte.

Warum so schön, du lichtdurchwobner Schatten?
Warum so süß, du flüchtig hold Erscheinen?
Warum so hehr, du Abglanz nur des Hehren?

"O, könnt' ich", rufst du, "einmal nur gestatten,
"Ihn selbst zu schau'n, den Sonnenglanz, den reinen:
"Wie würd'st du dann mich schwaches Bild erst ehren!"