Friedrich Bouterwek

1766 – 1828                               

Unter den lyrischen Dichtungsarten, die zwischen dem Liede und der Ode liegen, sind einige conventionellen, aber wohl erfundenen Regeln unterworfen. Dahin gehören besonders mehrere Arten romantischer Gesänge, vermutlich von provenzalischer Erfindung...

 

...Will man diese Dichtungsart (Die Kanzone) in ihrer Vollkommenheit kennen lernen, muß man sich an Petrarch, und an die vorzüglichsten der italienischen, spanischen und portugiesischen Petrarchisten des sechzehnten Jahrhunderts wenden, Der deutschen Poesie scheinen das eigentliche Lied und die Ode angemessener zu seyn....

 

Nahe verwandt mit der Canzone ist das lyrische Sonett. Wahrscheinlich ist die metrische Form dieser Dichtungsart für die lyrische Poesie erfunden, und erst später auf didaktische und satyrische Gedichte angewandt, die man denn auch, um dieser Form willen, Sonette nennt. Durch seine engeren Schranken ist das Sonett vor der Geschwätzigkeit gesichert, zu der die Canzone den Dichter leicht verführt. Aber die Kunst des Sonetts wird leichter zur kalten Künstelei, wenn die metrische Form, die das Sonett verlangt, dem Dichter nicht schon so geläufig ist, daß seine Gedanken und Gefühle von selbst sich dieser Form gemäß dehnen undzusammenschmiegen, so, daß gerade vierzehn, nach vorgeschriebener Regel gereimte Zeilen, in zwei Theilen, ein Quartett uns ein Terzett bildend, durch leise Aufregung und Befriedigung des Interesses, ähnlich mehreren Epigrammen, aber doch lyrisch, ein schönes Ganzes werden. Willkürlich ist diese Versart nicht mehr und nicht weniger, als die saphische, oder die alcäische, und so manche andere, in die der lyrische Gedanke sich doch auch fügen muß. Dan schaalen Spott Boileau’s über die Sonettenform hat längst die Erfahrung nur zu sehr widerlegt; denn wenn Apoll, wie Boileau meint, das Sonett erfunden hätte, um die Reimer auf’s Aeußerste zu treiben, würde nicht in dieser Versart so viel gereimt worden seyn, daß die italienische, spanische und portugiesische Literatur von Sonette, guten und schlechten, überschwemmt sind. Man muß selbst Sonette gemacht haben, um sich zu überzeugen, daß diese peinlich scheinende Form,  sobald sich nur die Phantasie ein wenig an sie gewöhnt hat, selbst in einer Sprache, die, wie die deutsche, gar nicht reich an Reimen ist, den Gedanken, die ein lyrisches Empfindungsgemählde im Kleinen bilden sollen, auf das natürlichste entgegenkommt. Besonders für zarte und sinnige Gefühle möchte es wohl keine schönere Versart geben.