Magnus Daniel Omeis           Von den Sonneten

1646 – 1708

Ein Sonnett oder Kling-Gedicht ist, wann vierzehen Verse oder Reim-Zeilen also zusammengesetzt werden, daß der erste, vierdte, fünfte und achte Vers eine Reim-Endung machen; auch der andere, dritte, sechte und siebende sich auf einander reimen. Die übrigen sechs mag der Poet nach Belieben schränken: doch zum gebräuchlichsten ists, daß der neunte und zehende Vers einen Reimen machen, der eilfte und vierzehende auch einen; und dann der zwölfte und dreizehende: wie Flemming mehrentheils seine Sonneten geschlossen. Es können auch die sechs letzte sich wechselweis, drei und drei auf einander reimen; wie es die Teutsche Uranie, Fr. von Greifenberg, Herr Weise u. a. m. denen Franzosen und Ithalienern nachgethan. Diese vierzehnzeilige Reim-Schlüsse, werden von etlichen genennet Tetradecasticha. Die Franzosen nennen sie Sonnetes; die Italiener Sonetti, der Niederländer Klinkdight. Wir Hoch-Teutsche heißen es auch Sonnet oder Kling-Gedichte.

Sonsten gilt es gleich, es mag sich das Sonnet von einem Weiblich- oder Männlichen Vers anfahen. Die Sonneten des Flemmings sind fast alle von zwölf- und dreizehen-syllbigen Jambischen oder Alexandrinischen Versen. Sie können aber auch von kürzern (und Trochäischen) Reim-Zeilen gemacht werden. Besiehe gedachten Flemmings XLIIX und LXVII Sonnet des III. Buchs, p. 631 und 643, ingleichen Fr. von Greifenberg in der T. Uranie p. 217. Diese hat auch unterschiedliche von springenden Versen gemacht. Vid. pag. 226. 227. 228. 229. 230: wiewol Herr Opitz in Prosod. Germ. nur die Sonneten, so von Alexandrinischen Versen, auch zehen- und eilf-syllbigen Jambischen (Vers communs) geschrieben sind, recommendiret; indem sich die andern Genera fast nicht darzu, wie er sagt, schicken.

Die Sonneten, darinnen sich die vierzehen Verse alle auf einander reimen; ingleichen die jenige, so sich wechselweiß oder alternatim durch und durch reimen, sind nur ingeniorum tormenta, und finden wenige Liebhaber.

Die ganz-ungereimte Sonnteten, dergleichen auch einige dieser Zeit zu schreiben sich bemühen, ermahnen mich als ein hölzernes Schür-Eisen. Dann indem die Sonneten bei den Italienern,

Französen, Holländern (von den wir Hoch-Teutsche diese Reim-Art entlehnet) vom Klingen und Wiederschall der Reimen ihren Namen führen; so ist ja ein solch unnöthig-erdichtetes Sonnet, dessen Verse sich gar nicht reimen, nichts weniger als ein Sonnet zu nennen.

In einem recht- und accuraten Sonnet soll sich der vierdte und achte Vers mit einem völligen sensu und punkto, oder wenigstens colo, schließen: wie auch der eilfte. Welches Flemming offt, aber nicht allezeit, observiret. Die Italiener, Frantzosen und Spanier nehmen diß meistens in acht; insonderheit Monsieur de Montrevil in seinen Poësies; welcher allezeit nach den vierdten, acht- und eilften Vers, einen Punct hat.

In der Disposition eines Sonnets ist, wo möglich, dahin zu sehen, daß in den ersten acht Versen der Vorsatz oder Protatis, in der letztern sechsen Apodosis, oder der Nachsatz, begriffen sey. Und ist eine sonderbare Zierde, wann der Nachsatz schöne Oratorische Wiederholungen, oder auch remotiones oder anthitheses derer Dinge, so in der Protasi vorgekommen, in sich hält; und wann endlich mit einem artigen sentenz oder acumine geschloßen wird: wie fast aus vorhergehenden Beispiele zu ersehen.

Also, wann ich bei schöner Frühlings-Zeit über eine Hochzeit ein Sonnet schreiben solte, könte ich in den ersten acht Versen, und also in der Protasi oder Vorsatz, die schöne Zeit vorstellen; wie der Himmel, die Lufft, Aecker, Gärten, Felder und Wälder, ietzund so lieblich aussehen. Der Nachsatz oder Apodosis könnte hierinn bestehen: Wann ich dieses ansehe, so halte ich, es sey unvonnöthen, daß die Poëten diß hochzeitliche Fest zu besingen sich bemühen; indem der Himmel, die Lufft, Aecker, Gärten etc. (derer schon in der Protasi gedacht worden) alle zugleich ein süßes Braut-Lied anstimmen. Nach diesem Schlage zeiget sich des Flemmings XXI Sonnet im II. Buch,

 

Sonnet

 

Endlich ist ein Sonnet schon gut, wann es richtig reimet,und ohne einer ordentlichen disposition, nur zuletzt mit einem schönen acumine oder epiphonemate, welches gleicham den ganzen Innhalt des Sonnets in sich hölt, schließet. Als, wann z. B. der Innhalt des Sonnets wäre: Deo servive, summa libertas; so könnte ich schließen: Die höchste Freiheit ist dem Allerhöchsten dienen. Oder: Lacrymae peccatorum, vinum Angelorum; Der Sünder Weinen ist der Engel Freuden-Wein. Da denn der Poët, der ein Sonnet machet, gleich anfangs auf dergleichen schickliches Ende muß abzielen und bedacht seyn.

 

 

 

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