Erdmann Neumeister Von
den Sonneten
& Chr. Fr. Hunold
CXLIII. Die
haben wir von den Frantzosen geerbet.
CXLIV. Unter allen kömmt mir diese Art Gedichte entweder am
schwersten vor, oder ich habe einen Eckel an ihrem gezwungenen Wesen, daß ich
sie nicht gern mache.
CXLV. Fleming hat seines gleichen nicht darinnen, und weil seine Gedichte fast in jedermanns Händen, kan man die Exempel daraus absehen.
CXLVI. Mich dünckt auch folgends, welches mir ohngefehr zu Händen
kömmt, ist gar artig:
CXLVII. Wir wollen doch eine Probe noch von unsern geben:
CXVIII. Es mag genug seyn. Wenn wir nun dieses wissen, daß praecise vierzehn Verse zu einem Sonnete erfordert werden, da der Erste, Vierte, Fünfte und Achte gleiche Reime haben, und hernach der Andere, Dritte, Sechste und Siebende einander gleich seyn. Bey den übrigen sechs Zeilen habe ich meine Freyheit. Doch ist am bräuchlichsten, daß die Neunte und Zehndte, wiederum die Eilffte und Vierzehendte, dann die Zwölffte und Dreyzehendte auf einander gereimet werden.
CXLIX. Ob nun wohl die Sonnete meistentheils aus langen
Alexandrinischen Versen bestehen, so hat man doch die Trochäischen und
Dactylischen dieser Ehre auch nicht berauben wollen.
CL. Ja man hat nicht allein die langen, sondern auch die kurtzen
Verse damit belehnet, welche letztern Sonnetgen genennet werden.
CLI. Doch in allen müssen Weibliche und Männliche Verse fein
zierlich gewechselt werden.
CLII. Fängt ein Sonnet mit einem Weiblichen Verse an, so ist der
andere Männlich; und umgekehrt. Nach den ersten beyden richten sich die
gleichreimenden Compagnons. Bey den übrigen Sechsen observiret man nur, wie es
am besten klinget.
CLIII. In den Teutschen Gedichten, welche Benjamin Neukirch
heraus gegeben, wird auch ein umgekehrt Sonnet von Hofmannswaldau
zu finden seyn. Es steckt keine besondere Kunst darinnen, denn ich darff nur
die acht obligaten Reime zuletzt, und die übrigen Verse zuerst setzen.
CLIV. Ich erachte, man würde eben vor keinen Poetischen Rebellen
ausgeschrien werden, wenn man auch die ersten acht Reime anders setzte, als
etwann ordentlicher Weise zu geschehen pfleget, nur daß die achte Zahl nicht
vermindert oder vermehret werde. Gestalt ich auch solches bey den Frantzosen
selbst wahrgenommen.
CLV. Und was brauchts? Viel Poetische Grillen-Fänger haben noch
vielerley Variationes gesucht, und zu einem Sonnete wohl gar vierzehn
gleichstimmige Reime genommen. Es mag inzwischen genug und gut seyn, daß wir
einander zur gebräuchlichsten Art angeführet haben.
CLVI. Soll ich schließlich noch etwas gedencken, so wolte ich um ein
Sonnet, oder wenn die Frantzösische Nahmen verhaßt, um ein Kling-Gedichte nicht
eine Wand-Laus geben, welches nicht zum wenigsten im Schlusse, recht nervós
gemacht ist.